Ysuph Mbago strahlt. Es fängt gut an in Oberhaching. Ein properer Ort im Münchner Speckgürtel. Hübsche Einfamilienhäuser mit viel Grün drumherum, ein traditioneller oberbayerischer Biergarten, die Kirche mitten im Zentrum, und ganz in deren Nähe innerhalb einer modernen, zweigeschossigen Wohnanlage "seine" Wohnung, gestern frisch bezogen, vier Zimmer, Küche, Bad, Terrasse, alles neu möbliert: Karibu sana!

Das ist Kisuaheli und heißt übersetzt: "Herzlich willkommen!" Na gut, das Wetter spielt nicht mit. Es zeigt sich gerade höchst ungemütlich und ist windig, kalt und regnerisch. Aber so war es auch, als der 39-jährige Pfarrer mit seiner dreiköpfigen Familie vor einem Jahr aus dem staubtrockenen Tansania im fränkischen Neuendettelsau landete. Deutschland im Herbst. Nicht so schlimm, lacht er, dafür kann man sich eine dicke, warme Jacke anziehen.

Gottesdienst in 45 Minuten statt drei Stunden

Yusuph Mbago, der auch nach einem Jahr Deutschkurs in Nürnberg und Gemeindevorbereitung im Lutherbiotop Neuendettelsau immer noch "Pastor" statt Pfarrer sagt, lacht viel. Oft überspielt er damit seine Unsicherheit, wenn er etwas nicht versteht. Manchmal ist es Höflichkeit, um nicht kritisch zu erscheinen. Dann ist es aber auch sein feiner Humor, der das Staunen über sehr unterschiedliche Formen mentaler Gegensätze offenbart.

Der Gottesdienst zum Beispiel. In Tansania, dessen Gottesdienstkultur vom unendlichen Gesang und vielfältigen Singen unzähliger Chöre dominiert und geprägt ist, dauert er mindestens zweieinhalb, wenn nicht drei Stunden, schildert der tansanische Pfarrer. Hier sind 45 Minuten genug. Die Predigt braucht in Tansania in der Regel eine Stunde, hier hat man zehn strukturierte Minuten. Dazu kommen die vielen Abkündigungen, in denen jeder aus der Gemeinde persönlich sein Anliegen, seine Wünsche, seine Erzählung einbringen kann.

Mbago: Wo sind die jungen Menschen?

Gottesdienst in Tansania ist ein allseits bewegtes und bewegendes Großereignis, nicht zu vergleichen mit dem, was Pastor Mbago stockend, aber fehlerfrei aus dem Veranstaltungskalender in Neuendettelsau zitiert: "11 vor 11". Gemeint ist, dass der Gottesdienst elf Minuten vor elf Uhr beginnt – und trotzdem, wundert er sich, fehlen die jungen Menschen. Während in Tansania am Sonntagvormittag der Gottesdienst zweimal nacheinander stattfindet, weil in die Kirche nicht alle Hunderte (!) von Gläubigen auf einmal hineinpassen. Fast entschuldigend klingt es, wenn Pastor Mbago sich beeilt zu loben, was "wirklich sehr, sehr gut in Deutschland" sei, nämlich "die Pünktlichkeit".

Gemeinsam mit Gemeinde- und Missionspfarrer Karsten Schaller sitzt er nun pünktlich in dessen freundlichem, nach Arbeit aussehendem Büro in Oberhaching, um geduldig die Fragen der Journalistin zu beantworten. Pfarrer Schaller strahlt auch und lacht viel. Er freut sich sichtlich mit seiner Kirchengemeinde auf den Austausch und ist schon jetzt sicher, dass die nächsten vier Jahre für alle in jeder Hinsicht eine Bereicherung sein werden. Weltoffen sei seine Gemeinde, sehr aktiv, alle hätten mitgeholfen, die Wohnung mit einzurichten, und überhaupt: Ist es nicht ein toller Zufall, dass der erste Austauschpfarrer in der Oberhachinger Gemeinde Zum Guten Hirten ausgerechnet aus deren Partnergemeinde Ikwete stammt, mit der schon seit über 30 Jahren ein enger und reger Kontakt besteht?

Organisatoren sind Mission EineWelt und ELCT

Dabei hatten weder die Organisatoren, Mission EineWelt und die ELCT, der Dachverband der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania, das so geplant, noch hatte sich Pfarrer Mbago darum beworben. In Tansania wird nämlich, noch ein Unterschied zur Kirche in Deutschland, nicht gefragt, sondern bestimmt. Aktuell sind es außer Pfarrer Mbago noch ein Pfarrers-Ehepaar aus Tansania, ein Pfarrer aus Papua-Neuguinea und drei aus Brasilien, die in verschiedenen bayerischen Partnergemeinden für vier Jahre – plus einem Jahr Vorbereitung in Neuendettelsau – im kirchlichen Austauschprogramm eingesetzt sind.

Yusuph Mbago weiß auch nicht, warum er ausgesucht wurde, um nach Bayern zu gehen. Nach dem Studium an der Kirchlichen Hochschule in Iringa war er zwar als Pastor für Mission und Evangelisation in der Diözese Ifakara tätig, hatte aber bislang weder Auslandserfahrung noch deutschen Kontakt gehabt. Trotzdem ist er froh, jetzt mit seiner Familie hier zu sein. Unglücklich ist er nur über die Sprachbarriere. Pfarrer Schaller beruhigt. Ein Kirchenvorstand betreibe mit seiner tansanischen Frau am Ort ein Restaurant. Pastor Mbago wirkt erleichtert, als er das hört.

Mbago: Lernen wie die Gemeinde "tickt"

Es kann endlich losgehen. Ehefrau Tupulike Mahenge wird irgendwann vielleicht sogar berufstätig sein. Die dreieinhalbjährige Agape kann es kaum erwarten, in die Kita zu gehen. Die zweijährige Rebekka wird wohl erst mal mit Mama in der Mutter-Kind-Gruppe Kontakte knüpfen. Und Yusuph Mbago will sich umhören und genau hinschauen, um zu lernen, wie die Gemeinde "tickt", damit er auf ihre Bedürfnisse reagieren kann. So jedenfalls machen sie es in Tansania, wenn sie in eine neue Gemeinde kommen.

Beim Einführungsgottesdienst wird sich zeigen, ob die 250 Plätze in der Kirche ausreichen, um Pfarrer Mbago und seine Familie "Herzlich willkommen" zu heißen. Immerhin, fünf Chöre gibt es schon in der Kirchengemeinde in Oberhaching.

EINFÜHRUNGSGOTTESDIENST

4. November 2018, 17 Uhr, in der Kirche Zum Guten Hirten, Oberhaching, Alpenstraße 7.