Mein Vater isst keine Kohlenhydrate mehr, der Mitbewohner meines Freundes lässt den Alkohol weg und meine Mutter verzichtet jeden Montag komplett aufs Essen. In meinem Umfeld haben in letzter Zeit viele Leute angefangen zu fasten. Dass aber am 14. Februar offiziell die Fastenzeit der christlichen Kirchen begonnen hat, wusste keiner von ihnen.

Auch an mir wäre die Fastenzeit unbemerkt vorbeigegangen - hätte ich mich nicht während meines Praktikums beim Evangelischen Presseverband für Bayern e.V. für einen Radio-Beitrag mit der Fastenaktion der evangelischen Kirche "7 Wochen Ohne" beschäftigt. Offensichtlich entschließen sich viele Christen dazu, von Aschermittwoch bis Ostern bestimmten Genussmitteln zu entsagen. Ich frage mich, warum die Aktion so erfolgreich ist - es kann der Kirche ja nicht nur darum gehen, dass ihre Mitglieder an Gewicht verlieren.

Was bedeutet "Einkehr, Umkehr, Besinnung"?

Deshalb recherchiere ich im Internet, wofür die Fastenzeit ursprünglich steht: Früher verzichteten Menschen in den 40 Tagen vor Ostern zum Beispiel auf Essen, Tanz, Spiel und Musik - also alles, was Spaß macht. Ziel war es, mit dieser Enthaltsamkeit Gott zu gefallen und der Hölle zu entkommen. Die Reformation stellte diese Bedeutung aber zunehmend in Frage, denn Martin Luther hielt nichts davon, sich mit Askese und Verzicht Gottes Gnade verdienen zu können. Er sah die Fastenzeit als "eine feine äußerliche Zucht", nicht als Garantie für das Seelenheil. So wurden die Richtlinien für die Fastenzeit zumindest unter Protestanten gelockert. Heute darf jeder selbst entscheiden, ob und worauf er in der Fastenzeit verzichten möchte.

Aber wozu das Ganze? Warum sollte ich auf liebgewonnene Speisen und Aktivitäten verzichten? Einkehr, Umkehr, Besinnung - eine Zeit lang auf Gewohntes verzichten. So wird das Ziel der Fastenzeit auf der Website von "7 Wochen Ohne" beschrieben. Das erklärt mir nicht besonders viel, deshalb beschränke ich mich zunächst auf den Teil, der mir einleuchtet: auf Gewohntes verzichten. Vielleicht erschließen sich mir die anderen drei Ziele ja später.

Digitale Technik bestimmt mein Leben

An was habe ich mich eigentlich in meinem Leben gewöhnt? Worauf könnte ich nur schwer verzichten? Mir fällt als erstes - und ja, ich bin ein Klischee meiner Zeit - Smartphone, Netflix und Co. ein. Fünf Minuten auf die U-Bahn warten: Schnell Facebook und WhatsApp checken. Zehn Minuten Wäsche aufhängen: Auf Netflix dudelt die neuste Folge der Serie "American Horror Story" nebenher.

Digitale Technik hat sich in meinem Leben etabliert - und nicht nur im positiven Sinne. Ich versuche mir damit im Alltag jegliche Langeweile zu ersparen, aber was wirklich sinnvolles mache ich damit meistens nicht. Was mich an meinem Technik-Konsum vor allem stört, ist die Selbstverständlichkeit, mit der er einen Platz in meinem Leben eingenommen hat und die viele Zeit, die er in Anspruch nimmt. Auf irgendeinen Bildschirm zu starren, soll mich meist nur ablenken - um den Inhalt geht es überhaupt nicht mehr. Habe ich gerade wirklich Kontakt mit jemanden, oder scrolle ich nur durch Facebook, weil mir nichts Besseres einfällt? Interessiert mich die Netflix-Serie überhaupt, oder suche ich nur nach Hintergrundrauschen?

Bewusster mit Facebook, WhatsApp & Co. umgehen

Ich wage deshalb einen Selbstversuch: Weniger Digitales, mehr Leben. Mir geht es dabei nicht darum, komplett auf Smartphone und Netflix zu verzichten, denn ohne mein Handy würde ich wahrscheinlich ins organisatorische Chaos stürzen. Ich brauche meinen Kalender und die Whats-App-Gruppen mit Freunden und Familie. Aber ich will künftig bewusster mit all den Apps, Internet-Plattformen und digitalen Angeboten umgehen. Das heißt zum Beispiel: Netflix nur dann einschalten, wenn ich die Serie wirklich anschauen will. Facebook nicht in jeder freien Minute öffnen.

Ich hoffe, dass ich dadurch wieder mehr Zeit für wirklich wichtige Dinge gewinne - zum Beispiel Lernen für die Uni und die Führerscheinprüfung oder es endlich mal wieder schaffe, ein Buch zu lesen.

Seit knapp drei Wochen übe ich mich jetzt schon im Verzicht. Bisher läuft es durchwachsen. Es ist gar nicht so leicht, sich etwas abgzugewöhnen, was man sich über lange Zeit angewöhnt hat.

Über die Bloggerin: Fanny Buschert

Fanny Buschert ist 21 Jahre alt und studiert Politikwissenschaften an der LMU München. Von Februar bis April 2018 ist sie Praktikantin beim Evangelischen Presseverband für Bayern (EPV).