Warum erfreut sich das Jodeln ausgerechnet in einer Großstadt wie München so großer Beliebtheit?

Becher: Wir haben Jodelkurse ursprünglich gar nicht als unsere Aufgabe im Bereich Volkskultur gesehen. Aber es gab eine so massive Flut von Anfragen, dass wir uns 2008 zu einer Zusammenarbeit mit der Musikpädagogin Traudi Siferlinger entschieden haben, die das Jodeln quasi im Blut hat. Leider ist das Singen als alte Kulturtechnik immer mehr aus unserem Alltag verschwunden, obwohl es Körper, Geist und Seele beschwingt. Das Jodeln bietet einen einfachen Zugang mit ähnlichen Effekten: Man braucht kein Bayerisch können, erzielt auch als Anfänger schnelle Fortschritte und genießt ein tolles Gemeinschaftserlebnis. Zudem baut das Jodeln Berührungsängste ab.

 

Wie laufen Ihre Jodelkurse ab?

Becher: Wir bieten mehrmals im Jahr an drei festen Wochentagen hintereinander einen Workshop an, der mit einem Auftritt an einem öffentlichen Ort endet. Gerade waren wir abends am Platz der jüdischen Synagoge in München. In den Kursen tummeln sich bis zu 80 Teilnehmer. Da muss keiner Angst haben, dass er was falsch macht. Andererseits kommen auch Gesangserprobte auf ihre Kosten. Die Teilnehmer lernen die Atem- und Stimmtechnik und können schnell einfache Jodler anstimmen. Das Spektrum reicht vom Juchzer-Schrei bis zum mehrstimmigen Jodler, der fast schon an spirituelle Dimension erreicht. Ich habe noch keinen erlebt, der nicht strahlend aus dem Kurs kommt.

 

Letztes Jahr gab es einen vorläufigen Höhepunkt des Jodelns in der Großstadt, oder?

Becher: Ja, bei unserem Festival "Laut Yodeln" im Münchner Volkstheater. Wir wollten damit zeigen, dass das Jodeln nicht nur in Oberbayern zu Hause ist, sondern in Amerika ebenso wie bei den Baka in Afrika, in der Südsee und Südosteuropa. Nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist vielen das Konzert in der Allerheiligenhofkirche. Inzwischen gibt es auch hier in München immer mehr unterschiedliche Angebote des "urban yodeling", in dem sich wie in einem "Urschrei der Seele" die aktuelle Gemütslage ausdrückt. Möglicherweise macht auch das Gefühl von Spontaneität, Heimat und Verbundenheit die heutige Attraktivität des Jodelns aus – in einer unübersichtlich gewordenen Welt, in der Perfektion scheinbar zum Maß aller Dinge geworden ist.