MECHTHILD VON MAGDEBURG sprengt den Rahmen vorgegebener Vorstellungen, wie ich mich Gott nähern kann: Nicht nur als Sünder und Sünderin, als Kind, als Suchende, sondern als Geliebte. Sie wagt eine Vereinigung, die keinen Abstand mehr kennt.

Sie spricht zu IHM voller Leidenschaft und Lust und GOTT erwidert ihrer Seele voller Hingabe. Macht sie gerade das zur Mystikerin? Ihr grenzüberschreitendes, ja auch erotisches Beten, ihr inniges Beten mit der Haut?

Gott liebkost die Seele in sechs Dingen:

Du bist mein Lagerkissen,
mein liebliches Bett,
meine verborgenste Ruhe,
mein tiefstes Verlangen,
meine höchste Ehre.
Du bist eine Lust meiner Gottheit,
ein Trost meiner Menschheit,
ein Bach meiner Hitze.

Die Seele lobt Gott an sechs Dingen:

Du bist mein Spiegelberg,
meine Augenweide,
ein Verlust meiner selbst,
ein Sturm meines Herzens,
ein Tod und eine Verleugnung meiner Macht,
meine höchste Sicherheit.

Wie Gott der Seele antwortet:

Dass ich dich überaus liebe, das habe ich von
Natur aus, weil ich die Liebe selber bin.
Dass ich dich heftig liebe, das hab ich von meinem Verlangen,
weil ich begehre, dass man mich heftig liebt.
dass ich dich lange liebe, das ist von meiner Ewigkeit,
weil ich ohne Ende bin.

MIT IHREN LYRISCHEN WORTEN stimm Mechthild in das Lied Salomons ein: »Siehe meine Freundin du bist schön. Deine Augen sind wie Taubenaugen, deine Lippen sind wie eine scharlachfarbene Schnur, dein Hals wie der Turm Davids...« (Hohelied 4,1ff.). Was für Beschreibungen! Es geht hier um den leiblichen Ausdruck des Liebens. Was macht die Liebe aus unseren Augen, unserer Haut, unseren Füßen? Das alttestamentliche Denken ist nicht an formvollendeter, sondern an der ausdrucksvollen Schönheit interessiert. Es geht nicht um Falten oder Glätte unserer Haut, sondern um ihre Erregbarkeit, es geht nicht um die Form unseres Mundes, sondern wie er liebkost.

IN DIESER BIBLISCHEN SPUR lebt Mechthild ihre Gottesliebe. Sie lädt uns ein, uns zu erlauben, die Seele in göttlichen Hautkontakt zu bringen. Und selbst, wenn sich da scheinbar wenig tut, auch dieses Ihm hinreichen: du meine Fühllosigkeit, mein ungestilltes Verlangen…

VON MECHTHILD übernehme ich die Gebetsweise des »Seelenaustausches«. Ich setze mich bewusst in die Gegenwart Gottes. Spüre meinen Körper, wie ich da bin von Fuß bis Kopf. Ich lausche in der Stille. Ich lausche, wie ich Gott nennen möchte, was GOTT mir ist. Ich zensiere nicht, lasse Namen kommen: Du GOTT mein, meine… Vielleicht habe ich nur eine Ahnung, doch in allem traue ich ganz dem, was da in mir hochsteigt.

Und höre, wie Gott zu meiner Seele spricht: Du meine…

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