Das Pferd macht den Mist in dem Stall,
und obgleich der Mist Unsauberkeit und üblen Geruch an sich hat,
so zieht doch dasselbe Pferd denselben Mist
mit großer Mühe auf das Feld;

und daraus wächst der edle schöne Weizen
und der edle süße Wein, der niemals so wüchse,
wäre der Mist nicht da.

Nun, dein Mist, das sind deine eigenen Mängel,
die du nicht beseitigen, nicht überwinden noch ablegen kannst,
die trage mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes
in rechter Gelassenheit deiner selbst.

Dieser Tauler-Text mag uns heutige Leser etwas verwundern. Von einem Mystiker hätten wir uns wohl eine feinere Sprache erwartet. Aber Tauler sprach für das einfache Volk und wollte verstanden werden. Mit seinen kräftigen, anschaulichen Bildern steht er in bester Tradition mit der Sprache der alttestamentlichen Propheten.

Wir Menschen wollen immer das Beste bewirken, und doch müssen wir oft eingestehen: Wir haben "Mist gebaut". Aber ohne Mist kann nichts gedeihen. Darin besteht die Ironie unseres Tuns und die Herausforderung an unsere Demut. Es sind "meine Gebrechen, die ich nicht abtun, ablegen noch überwinden kann".

Jeder Mensch hat nun einmal seine Anlagen, die seine körperliche und seelische Konstitution bedingen. Er kann damit viel bewirken, wird aber auch immer wieder an seine Grenzen stoßen. Viele ärgern sich darüber, allen voran die Perfektionisten. Wir tragen immer wieder dieselben Sünden in den Beichtstuhl und merken mit zunehmendem Alter: Der "alte Mensch" in uns ist noch da und macht sich erneut bemerkbar. Es sind immer dieselben Versuchungen, die uns zur Verzweiflung bringen können.

Tauler empfiehlt Gelassenheit, eine Gelassenheit, die nicht in der Resignation besteht, sondern in der Hingabe an den "liebreichen" Willen Gottes. Nicht auf uns kommt es an. Gott selbst wird unserem Tun die Früchte schenken, aber es bedarf dazu unserer Anstrengungen –

- und mögen sie noch so unvollkommen sein.

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