Mit zahlreichen Gottesdiensten, Feiern und Veranstaltungen in Bayern haben die Protestanten am Mittwoch den Reformationstag gefeiert. Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm predigte allerdings nicht in einer bayerischen Kirche, sondern in der Reformationsstadt Wittenberg. Dort warb er für eine neue "Welle der Zuversicht" angesichts gesellschaftlicher Unsicherheiten. "Angst zu machen, ist ohne Segen. Wir haben auch heute allen Grund, die Angstmacher und falschen Ablassprediger zu stellen: Niemand wird dadurch befreit, dass er andere ausgrenzt", betonte Bedford-Strohm.

Greiner ruft zu mehr Glaubenspraxis auf

Die Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner rief in Münchberg (Landkreis Hof) die evangelischen Christen zu mehr alltäglicher Glaubenspraxis auf. "Gottes Wort, Gebet, gottesdienstliche Gemeinschaft - ohne diese drei 'G' verkümmert unsere Liebe zu Gott", sagte die Theologin laut Predigtmanuskript in der Stadtkirche von Münchberg (Landkreis Hof). So gehöre beispielsweise die Bibel nicht nur auf den Altartisch, sondern auch "auf einen Tisch in unserem Haus".

Der von Liebe und Freiheit geprägte christliche Glaube sei in seiner besonderen Selbstrelativierung einzigartig auf der Welt, betonte die Regionalbischöfin außerdem: "Nichts hilft mehr gegen alle Hassparolen auf dieser Welt als der Christusglaube, weil für den Christusglauben die Liebe höher als alles ist."

Weiss: Neuanfänge und Vergebung sind befreiend

Der evangelische Regensburger Regionalbischof Hans-Martin Weiss wies in der Christuskirche in Neumarkt zum Reformationsfest auf die befreiende Wirkung von Neuanfängen und Vergebung hingewiesen. Jeder Mensch brauche im Alltag Erleichterung und Entlastung nach Fehlleistungen, "weil er jetzt in Not ist, jetzt Gnade braucht, jetzt Frieden nötig hat", sagte Weiss laut Predigtext.

Der Glaube könne helfen, sich selber und die Welt anders zu sehen und so ganz neu zu erfahren. Selbst wenn die eigene Stimmung immer wieder einmal kippt, gelte gerade für Christen: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht", erklärte Weiss. Der Reformator Martin Luther habe diese Erleichterung in der unbedingten Liebe Gottes zu den Menschen gefunden. Das Leben leichter und mit Humor zu nehmen, sei deshalb kein Ausdruck der Sünde, sondern im Gegenteil "ein Ausdruck für die Überwindung der Sünde" gewesen.

Zahlreiche Veranstaltungen zum Reformationstag

In seinem zweimal gehaltenen Festvortrag in den Kirchen St. Sebald und St. Lorenz in Nürnberg befasste sich der Soziologie-Professor Armin Nassehi mit der Frage "(Volks-) Kirche im Wandel?". Im Dekanat Schweinfurt sprach Pfarrer Jukka Salo aus der finnischen Partnerstadt Seinäjoki zum Thema "Wozu braucht Europa das Christentum?". In Bad Windsheim waren besonders die Kinder mit ihren Familien zu einer ChurchNight eingeladen: Rund ums Lutherhaus konnten sie die Kindheit von Martin Luther mit Armbrustschießen, Ritterkampf, Lagerfeuer und Lutherspielen am PC nacherleben.

Am letzten Tag im Oktober erinnern Protestanten an die Veröffentlichung von Martin Luthers (1483-1546) 95 Thesen gegen die Kirche im Jahr 1517. Das Ereignis gilt als Beginn der Reformation, deren Folge die Trennung in katholische und evangelische Kirche ist.