Die Vorbereitungen auf die Olympischen Sommerspiele 2016 laufen in Brasilien auf vollen Touren. Nachrichten, dass Straßen und das öffentliche Verkehrsnetz nicht fertig werden würden, beschäftigen die internationalen Medien. Die Welt blickt gespannt auf den flächen- und bevölkerungsmäßig fünftgrößten Staat dieser Erde. Doch wie es hinter den Kulissen - fernab des Medientrubels - in der brasilianischen Gesellschaft wirklich aussieht, davon konnten sich in den vergangenen Wochen 14 bayerische Pfarrerinnen und Pfarrer ein Bild machen.

Bei dem zweiten brasilianisch-bayerischen Pastoralkolleg trafen sie auf 13 Kolleginnen und Kollegen aus Übersee, um gemeinsam unter der Überschrift "Licht welcher Welt" die Situation in beiden Ländern sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden lutherischen Kirchen zu erörtern. Eingeladen dazu hatte das Pastoralkolleg Neuendettelsau, unter der Leitung von Dr. Christian Eyselein, und das Partnerschaftszentrum der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Mission EineWelt. "Besonders die Verschiedenheit der Kirchen macht den Austausch so wichtig", so Hans Zeller, Lateinamerika-Referent von Mission EineWelt, zur Relevanz dieser Begegnung.

Evangelisch-Lutheranische Kirche in Brasilien ist Minderheit

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Brasilien ist mit ihren 700.000 Mitgliedern eine Minderheit. Lediglich in den drei südlichen Staaten Brasiliens Rio Grande do Sul, Santa Catarina und Paraná gibt es große Gemeinden, die auch in der brasilianischen Gesellschaft wahrgenommen werden. In den anderen Gebieten Brasiliens ist sie eine Diasporakirche.

"Meine fünf Gemeinden mit 250 Gemeindeglieder an der Transamazonica, im Bundesstaat Para, sind über 500 km verteilt", berichtete beispielsweise Adriel Raach, Pfarrer in Ruropolis den interessierten Kursteilnehmern. Doch geschlossen würden die Gemeinden nicht. "Die Kirche ist für die Menschen, die in den Amazonaswald gezogen sind, um sich eine Existenz aufzubauen, sehr wichtig. Sie ist ein Raum der Geborgenheit und Stärkung für den Überlebenskampf", so der Brasilianer.

Kirche als "Ort der Stille"

Als "Ort der Stille" bezeichneten wiederum Raachs Kollegen Marcos Ebeling und Geraldo Graf, beide Pfarrer in São Paulo, ihre Kirche. Die 12 Millionen Einwohner kämen nicht mehr zur Ruhe und suchten dort nach einem entsprechenden "Platz". Einen starken Kontrast dazu findet man in Bayern: Das Bundesland hat nicht einmal so viel Einwohner wie die Metropolregion São Paulo, doch Diaspora kennt man auch hier – allerdings eben anders. Die Fragen an die bayerischen Teilnehmenden richteten sich jedoch weniger danach, sondern mehr nach der aktuellen Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa.

Ein Highlight des Kurses – besonders für die brasilianischen Teilnehmenden – war neben den Diskussionsrunden und Gruppenarbeiten auch die Besichtigung der Wirkungsstätten Martin Luthers. "Wir sind ständig dazu aufgerufen unsere lutherische Identität zu erklären, da die Bevölkerung von Predigern des Wohlstandsevangeliums verführt wird", so Pfarrer João Paulo, Vitoria, für den dieser Programmpunkt besondere Bedeutung hatte.

Den Abschluss des Pastoralkollegs bildete der Besuch bayerischer Gemeinden. Dadurch wurde die weltweite Kirche auch dort erlebbar. "Für uns ist dies ein besonderes Ereignis, da wir damit die Eine Welt vor Ort wahrnehmen und die Herausforderung der weltweiten Kirche erleben können", erzählt Peter Stier, Pfarrer in Marktsteft.