"Der Mensch ist gut, aber die Leut’ sind schlecht", wussten schon Nestroy und Karl Valentin. Wie wäre es also mit einem "sozialen Kreditsystem", das gute Taten belohnt und schlechte bestraft?

Wer zum Beispiel einen Diesel-SUV fährt – dicke Minuspunkte! Wer dagegen Fahrrad fährt und dabei Helm aufsetzt – Pluspunkte! Bei Rot über die Ampel oder beim Schwarzfahren erwischt? Minuspunkte! Wer gesund lebt, sich viel bewegt und den Fleischkonsum einschränkt – Pluspunkte! Die Eltern oder Großeltern lange nicht besucht? Minuspunkte!

Fänden Sie gar nicht schlecht, so eine "soziale Steuerung"? In China experimentiert man in mehr als 30 Regionen des Landes bereits ganz konkret damit. Total-Digitalisierung und Vernetzung machen es möglich.

Jeder Bürger, jede Bürgerin startet mit 1.000 Punkten auf dem Konto. Wer sich gut verhält, wird belohnt. Blut gespendet? Pluspunkte. Kindern Nachhilfe gegeben? Pluspunkte. Je mehr Punkte, desto "vertrauensvoller" und "besser" der Mensch. Meint jedenfalls die Partei, und die hat bekanntlich immer recht. Viele Punkte heißt: Privilegien. Man kommt an Kredite und auf dem Amt schneller an die Reihe.

Wer sich dagegen nicht "freiwillig" an der Baumpflanzaktion beteiligt, ist mit 100 Punkten im Minus. Kinder müssen ihre Eltern besuchen, das ist nun staatlich verordnet. Abzug gibt es auch für regierungskritische Äußerungen. Und wer mit seinem Konto im Minus ist, kann seine Karriere knicken, die Kinder nicht an der nahe gelegenen Schule anmelden, darf weder Auto noch Wohnung noch Flugtickets kaufen.

Willkommen in der schönen neuen Welt der digitalen Gesinnungsdiktatur. Goethes Faust muss man rückwärts lesen: Im Menschen steckt die Kraft, die stets das Gute will und doch das Böse schafft.