Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) wurde am 23. August 1948 in Amsterdam gegründet. Der Weltbund versteht sich als Gemeinschaft von Kirchen mit dem Ziel der "sichtbaren Einheit". Dem Weltkirchenrat gehören 352 protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische Kirchen sowie Freikirchen aus mehr als 120 Ländern an, die nach eigenen Angaben weltweit über 580 Millionen Christinnen und Christen vertreten. Die römisch-katholische Kirche ist nicht Mitglied, arbeitet jedoch seit Ende der 1960er Jahre mit dem ÖRK zusammen.

Südafrikaner soll neuer Generalsekretär werden

Geschäftsführender Generalsekretär des Weltkirchenrates ist Ioan Sauca. Der rumänisch-orthodoxe Priester ist nach außen das Gesicht des ÖRK, er nimmt auch immer wieder zu politischen Themen Stellung wie dem Nahost-Konflikt oder den Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Neunter Generalsekretär in der Geschichte des ÖRK wird am 1. Januar 2023 der südafrikanische Theologe Jerry Pillay, Dekan der Fakultät für Theologie und Religion an der Universität Pretoria. Der 1965 geborene Pillay ist Mitglied der Presbyterianischen Unionskirche im südlichen Afrika.

Höchstes Beschlussgremium des Dachverbandes ist die Vollversammlung. Sie findet etwa alle acht Jahre statt, bisher in den Niederlanden (1948), den USA (1954), Indien, (1961), Schweden (1968), Kenia (1975), Kanada (1983), Australien (1991), Simbabwe (1998), Brasilien (2006) und Südkorea (2013). Die 11. Vollversammlung wird vom 31. August bis 8. September in Karlsruhe abgehalten.

Weitere Leitungsgremien sind das Präsidium mit 20 Mitgliedern und der Zentralausschuss. Dieser kommt etwa alle zwölf bis 18 Monate zusammen und leitet den Weltkirchenrat zwischen den Vollversammlungen. Den Vorsitz des Zentralausschusses hat zurzeit Agnes Abuom von der anglikanischen Kirche in Kenia inne. Dem Gremium gehört auch die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber an. Der Zentralausschuss soll bei der Vollversammlung in Karlsruhe neu gewählt werden.

Entstehung und Geschichte

Die historischen Wurzeln des Ökumenischen Rates der Kirchen finden sich in den Studenten- und Laienbewegungen des 19. Jahrhunderts. 1910 fand in Edinburgh eine Weltmissionskonferenz statt, 1920 gab es die Enzyklika des Patriarchats von Konstantinopel, in der die Schaffung eines "Kirchenbundes" nach dem Vorbild des Völkerbundes vorgeschlagen wurde.

1937-38 beschlossen dann führende kirchliche Persönlichkeiten, einen Ökumenischen Rat der Kirchen zu gründen. Die Umsetzung konnte dann aufgrund des Krieges dann allerdings zunächst nicht stattfinden.

Ab 1946 kam es zu zwei ökumenischen Pionierprojekten: die Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA) und das Ökumenische Institut in Bossey (Schweiz).  Nach Kriegsende ermutigte der Rat die Kirchen zum Ausbau der Entwicklungshilfe. Außerdem wurden Hilfsprogramme für die Unterstützung von Migranten und Flüchtlingen aufgesetzt.

Bei der ersten Vollversammlung im Jahr 1948 waren 147 Kirchen anwesend. Während der Rat in den ersten Jahren vor allem protestantisch geprägt war, hat sich das Profil in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt.

Ökumenischer Rat der Kirchen:

Wichtige Etappen in der Geschichte der kirchlichen Dachorganisation:

1941: Bereits 1941 gibt es Planungen zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen, die jedoch durch den Zweiten Weltkrieg zunichte gemacht werden.

1945: Ein Stab mit 20 Mitgliedern wird in Genf eingerichtet. Vor allem Lutheraner aus den USA waren die treibende Kraft.

1948: In Amsterdam treffen sich vom 22. August bis 4. September Repräsentanten von 147 zumeist protestantischen Kirchen aus 44 Ländern. Zu den Gründungsmitgliedern des ÖRK gehört auch die neu gebildete Evangelische Kirche in Deutschland. Das Gründungstreffen steht unter dem Eindruck des Ost-West-Konfliktes nach dem Zweiten Weltkrieg. Die orthodoxen Kirchen des Ostblocks sind aus politischen Gründen nicht vertreten. Erster Generalsekretär des Kirchenbundes, dem die katholische Kirche nicht angehört, wird der Niederländer Willem A. Visser't Hooft (1900-1985).

1954: Vollversammlung in Evanston (US-Bundesstaat Illinois). Themen sind die Spannungen des Kalten Kriegs sowie die Konflikte zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung in den USA.

1961: Vollversammlung in Neu-Delhi (Indien). Das oberste Gremium des Weltkirchenrats kommt erstmals in einem Land der Dritten Welt zusammen. Gleichzeitig rückt der Nord-Süd-Konflikt immer mehr in den Vordergrund. Die orthodoxen Kirchen unter anderem aus Russland, Rumänien und Bulgarien treten dem ÖRK bei.

1968: Vollversammlung in Uppsala (Schweden). Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) wirkt sich auf die Ökumene positiv aus. Katholische Beobachter nehmen an der ÖRK-Vollversammlung teil. Eine Rolle spielt auch die Befreiungstheologie aus Lateinamerika, die in den kommenden Jahren die ökumenische Bewegung beeinflussen wird. Im selben Jahr startet der Weltkirchenrat sein Programm zur Bekämpfung des Rassismus.

1975: Vollversammlung in Nairobi (Kenia). Kirchen des Südens üben scharfe Kritik an den Industriestaaten, weil diese ihren Reichtum auf Kosten der armen Länder vergrößerten.

1983: Vollversammlung im Vancouver (Kanada). Die Abendmahlsgemeinschaft zwischen Katholiken und Protestanten scheint in greifbarer Nähe. Einer der Höhepunkte der Versammlung ist die Feier der Lima-Liturgie, ein Gottesdienst mit anglikanischen, katholischen, lutherischen und orthodoxen Elementen.

1988: Weltkirchenrat ruft die ökumenische Dekade "Solidarität der Kirchen mit den Frauen" aus, um Frauenrechte und Gleichberechtigung weltweit zu fördern.

1990: Angestoßen durch die Vollversammlung von Vancouver findet in Seoul (Südkorea) die ökumenische Weltversammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung statt. Beteiligt sind alle Konfessionsfamilien, der Vatikan entsendet eine Beobachterdelegation.

1991: Vollversammlung in Canberra (Australien). Das Verhältnis zu nichtchristlichen Religionen gewinnt im Weltkirchenrat an Bedeutung. Zugleich gibt es in der ökumenischen Bewegung kaum Fortschritte zu vermelden. Obwohl eine Reihe von wichtigen Texten die Gemeinsamkeiten der christlichen Traditionen betonen, wird in der Praxis die Grenze zwischen den Kirchen wieder deutlicher.

1993: Mit Theologieprofessor Konrad Raiser wird erstmals ein Deutscher zum Generalsekretär des Weltkirchenrates gewählt.

1998: Vollversammlung in Harare (Simbabwe). Sie wird überschattet von Spannungen zwischen orthodoxen und protestantischen Kirchen. Streitthemen sind Frauenordination und Homosexualität, bei denen schließlich Kompromisse gefunden werden und eine Spaltung des ÖRK vermieden wird.

2004: Mit dem aus Kenia stammenden Pfarrer Samuel Kobia rückt zum ersten Mal ein Afrikaner als Generalsekretär an die Spitze.

2006: Vollversammlung in Porto Alegre (Brasilien). Themen sind die negativen Folgen der Globalisierung und die Neuausrichtung der ökumenischen Bewegung.

2008: Der ÖRK feiert sein 60-jähriges Bestehen.

2009: Im Sommer löst der norwegische Lutheraner Olav Fykse Tveit den Kenianer Kobia im Amt des ÖRK-Generalsekretärs ab.

2010: Abschluss der Dekade zur Überwindung von Gewalt (2001-2010).

2013: Vollversammlung in Busan (Südkorea) mit rund 3.000 Teilnehmern. Der Klimawandel bildete einen Tagungs-Schwerpunkt. Es wurde auch ein Zeichen für die Wiedervereinigung des politisch geteilten Landes gesetzt.

2022: Im Juni wählte der ÖRK-Zentralausschuss den südafrikanischen Theologen Jerry Pillay zum neuen Generalsekretär. Er wird Januar 2023 das Amt übernehmen. Solange leitet Ion Sauca von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche als geschäftsführender Generalsekretär den ÖRK.

2022: Vollversammlung in Karlsruhe (Deutschland). Zu dem Treffen in der badischen Metropole werden bis zu 4.500 Teilnehmer erwartet. Erneut soll der Klimawandel und seine Folgen einen Tagungs-Schwerpunkt bilden. Dazu kommen die Themen Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt und die Auseinandersetzung mit der Geschichte des europäischen Kolonialismus.