Die Schulung für den Einsatz an der Krisen-Hotline hat Franz Schütz noch lebhaft in Erinnerung: "Das ist sehr aufwühlend", berichtet er, "selbst wenn Sie solche Gesprächssituationen nur simulieren." Schütz leitet die ökumenische Telefonseelsorge in Augsburg. Zusammen mit gut 50 seiner ehrenamtlichen Mitarbeitenden hat er sich in mehreren Schulungen auf den Einsatz am künftigen Krisentelefon der Telefonseelsorge vorbereitet.

Noch im Februar soll die neue Hotline starten. "Wir sind einsatzbereit", sagt Schütz. Es gebe noch abschließende Gespräche mit dem Katastrophenschutz der Stadt Augsburg, mit dem man eng zusammenarbeite. "Dann kann es losgehen", sagt der katholische Diakon. Der Großraum Augsburg ist nach München der zweite Standort in Bayern, an dem die Telefonseelsorge ein solches Krisentelefon einrichtet.

Krisen-Hotline bekommt eigene Nummer

Die Hotline soll eine eigene Nummer bekommen und immer dann geschaltet werden, wenn außergewöhnliche, belastende Ereignisse passieren, die viele Menschen betreffen: ein Amoklauf, ein Terroranschlag, ein Zugunglück. "Auch der Bombenfund an Weihnachten 2016 in Augsburg war so ein Ereignis, das bei vielen starke Reaktionen und Gefühle ausgelöst hat", meint Schütz. Wegen einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg musste damals die gesamte Innenstadt evakuiert werden.

In solchen Fällen soll das Krisentelefon eine Anlaufstelle sein. Die Entscheidung, die Hotline zu schalten, treffe die Einsatzleitung, erläutert Schütz: "Wir müssen dann schnell bereit sein." Um das zu gewährleisten, hat die Augsburger Telefonseelsorge eigens eine neue Telefonanlage angeschafft. "Damit können wir bis zu sechs Leitungen gleichzeitig schalten", erklärt Schütz.

Mitarbeiter wurden eigens geschult

Für den Dienst an diesen Leitungen wurden die Mitarbeiter speziell geschult. "Die Gespräche in diesen Krisen laufen anders ab als normalerweise bei der Telefonseelsorge", sagt Schütz. Die Menschen seien oft panisch oder verzweifelt. Dann gehe es darum, sie zu beruhigen, ihnen ihre Situation zu erklären. "Die Gespräche sind viel direkter, unmittelbarer und meist auch nicht anonym, wie sonst bei der Telefonseelsorge."

Vorbild für die Augsburger Krisen-Hotline ist die katholische Telefonseelsorge in München. Dort gibt es schon länger ein Krisentelefon. Seinen wichtigsten Einsatz hatte es beim Amoklauf im Münchner Olympia-Einkaufszentrum im Juli 2016. "In den sieben Tagen, in denen die Hotline geschaltet war, hatten wir mehr als 500 Anrufe", sagt Alexander Fischhold, der die Telefonseelsorge leitet. Es seien Augen- und Ohrenzeugen des Amoklaufs gewesen, Angehörige, die Rat suchten oder auch Menschen, die aus Angst die Nacht in einer Tiefgarage zugebracht hatten.

Auch andere Standorte denken über eine Krisen-Hotline nach

"Es war mehr als sinnvoll, diese Krisen-Hotline anzubieten", sagt Fischhold. Wegen der guten Erfahrungen soll der Dienst in München nun sogar erweitert werden. In Zusammenarbeit mit der Stadt wollen katholische und evangelische Telefonseelsorge die Zahl der Mitarbeitenden, die für die Krisen-Hotline geschult sind, von derzeit 30 auf 70 erhöhen.

"München hat gezeigt, wie wichtig eine solche Hotline ist", sagt Elisabeth Simon, die bei der Diakonie Bayern für die Telefonseelsorge zuständig ist. Daher denke man auch an anderen Standorten der Telefonseelsorge über ein Krisentelefon nach, berichtet sie. Dies sei aber auch eine Geldfrage: Die Technik, die Schulung der Mitarbeiter - das alles könnten die größtenteils kirchlich finanzierten Telefonseelsorge-Stellen "nicht einfach aus dem Ärmel schütteln". Vom Freistaat jedoch, der derzeit eine eigene, bayernweite Hotline für psychische Notlagen einrichte, gebe es kein Geld: "Dabei sind gerade die erfahrenen Mitarbeitenden der Telefonseelsorge bestens für solche Krisendienste geeignet", ist Simon überzeugt.

Und sie sind hochmotiviert: "Meine Ehrenamtlichen sind begeistert von der Idee der Hotline", sagt Franz Schütz. Und auch wenn sich keiner den Ernstfall wirklich wünsche, so gelte doch: "Es ist gut, wenn wir für einen solchen Fall vorbereitet sind."