In Baldham, einem ruhigen Ortsteil der Gemeinde Vater­stetten im Münchner Osten, reckt sich fast 20 Meter hoch der Steinklotz des sogenannte Thorak-Ateliers empor. Hier ließ Adolf Hitler einst seinem Lieblingsbildhauer Josef Thorak Arbeitsräume errichten. Nach Plänen Albert Speers, in monumentalem Ausmaß.

Thorak arbeitete hier ab 1941 hinter zwölf Meter hohen Türen an riesigen Plastiken, unter anderem für das Nürnberger Reichsparteitagsgelände – zog aber noch vor Kriegsende aus. Heute, fast 80 Jahre nach Fertigstellung, scheint das Gebäude eine ambivalente Rolle zu spielen, und wie damit umzugehen ist, darum wird seit Jahren gerungen.

"Es ist ein sehr großes Gebäude, das auch in der Gemeinde auffällig ist."

Denn trotz seiner versteckten Lage hinter Bäumen und hohen Zäunen, sprengen allein die Ausmaße des 32.000-Quadratmeter-Grundstücks zwischen den Einfamilienhäusern des Wohnviertels jeden Rahmen. So ist die Präsenz des Bauwerks doch spürbar – wie auch Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger (Freie Wähler) weiß.

Aktuell nutzt die Archäologische Staatssammlung die große Halle als Lager. Doch das öffentliche Interesse ist groß, wie ein Besucheransturm anlässlich einer Sonderbegehung vor einigen Jahren zeigte. Deshalb sollen in absehbarer Zeit reguläre Besichtigungen des Thorak-Ateliers möglich werden. "Es ist die Eröffnung eines kleinen Museums geplant", sagt Reitsberger, der sehr viele Besichtigungsanfragen, unter anderem von Schulen, auf den Schreibtisch bekommt. Angedacht sei eine kleine Schau, die die komplette Geschichte des Hauses veranschauliche, erklärt Reitsberger.

Sollte alles nach Plan laufen, könnte noch 2019, spätestens 2020 die Eröffnung über die Bühne gehen.

In dem Museum dürfte es dann einiges zu sehen geben. Denn nach Thoraks Auszug erlebte das Gebäude eine wechselhafte Geschichte: Im Mai 1945 verhandelten die US-Army und Teile der Wehrmacht über die Kapitulation in Süddeutschland – ob sie hier unterschrieben wurde, oder im nahegelegenen Haar, scheint nicht abschließend geklärt. Später wurde das Gebäude unter anderem als Schule, Filmset und Lagerstätte für Opernkulissen genutzt.

Die 23.000-Einwohner-Gemeinde Vaterstetten hat aber einstweilen auch noch ein anderes geschichtsträchtiges Gebäude zu bieten – das zumindest tagsüber frei zugänglich ist. Es handelt sich um die Dorfkirche St. Pankratius. Das kleine spätromanische – und im 18. Jahrhundert barockisierte – Kirchlein ist mehr als 800 Jahre alt und hat nur mit einigem Glück und Hilfe der Vaterstettener eine turbulente Episode überlebt.

Als Anfang des 19. Jahrhunderts die Säkularisation in vollem Gange war, sollte auch St. Pankratius abgerissen werden. Doch die Vaterstettener Bauern wehrten sich: 1806 zogen sie mit Dreschflegeln und Sensen bewaffnet los, um ihre Kirche zu schützen, wie Reitsberger berichtet. Ein wenig bekanntes Kapitel –

Der Bürgermeister selbst kennt die Geschichte von seinen Urgroßeltern, wie er sagt.

Der Erfolg ist allerdings bis heute sichtbar. Fast am Rande Vaterstettens steht die Kirche bis heute. Und kündet im Dunstkreis der stetig wachsenden Metropole München von einer fast verschwundenen dörflichen Lebenswelt.

Ausflugstipp

SPRUNGSCHANZE UND ACHTECK

Zwei ungewöhnliche Kirchen hat Poing, zehn Kilometer nördlich von Vaterstetten, zu bieten. Die katholische Pfarrkirche Seliger Pater Rupert Mayer wurde erst 2018 fertiggestellt – und hat aufgrund ihrer markanten Architektur den Spitznamen "Sprungschanze Gottes" verpasst bekommen. Mit 15.000 weißen Kacheln bestückt reflektiert die Fassade das Sonnenlicht. Die evangelische Christuskirche nur ein paar Schritte weiter stammt ebenfalls aus diesem Jahrtausend. Sie zeigt sich als Achteck mit neuem Turm und Kirchenfenstern des Künstlers Bernhard Huber.

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