Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm fordert mehr Aufmerksamkeit für soziale und psychische Folgen des langen Corona-Lockdowns.

Die "seelische Inzidenz" steige, sagte der bayerische Landesbischof mit Anspielung auf den Sieben-Tage-Infektionswert in einer Video-Pressekonferenz. Viele Beschäftigte im Einzelhandel, in der Gastronomie oder Kultur sähen sich der Gefahr des materiellen Ruins ausgesetzt.

"Seelischer Ruin" durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie

Vielen drohe aber auch der "seelische Ruin". Diese Probleme müssten in der Öffentlichkeit mehr Berücksichtigung finden, sagte Bedford-Strohm, der auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Die evangelische Kirche wolle das bevorstehende Osterfest nutzen, um für Kraft, Hoffnung und Zuversicht zu werben.

Der Bischof verwies insbesondere auf junge Menschen. Im Alter von 13 und 14 Jahren mache man innerhalb eines Jahres so viele wichtige Erfahrungen wie später in zehn Jahren nicht mehr. Oft setzten diese aber persönliche, physische Kontakte voraus, die derzeit nicht möglich seien. "Den ersten Kuss kannst du nicht auf irgendeine iPad-Scheibe geben", sagte Bedford-Strohm.

Bedford-Strohm: Krise vertieft soziale Kluft

Nach seinen Angaben sind die Anfragen bei kirchlichen Beratungsstellen, etwa der Chatseelsorge in der Pandemie um 70 Prozent gestiegen. Die Pandemie vertiefe zudem die soziale Kluft, sagte Bedford-Strohm.

Unter Berücksichtigung dieser Folgen sprach sich der Theologe für die Modellprojekte für Lockerungen mit Hilfe von Schnelltests aus, wie sie derzeit einzelne Länder und Landkreise planen. Die Möglichkeiten für Öffnungen müssten genutzt werden, sagte er, ergänzte aber auch, dass die Menschen weiterhin die Kraft aufbringen müssten, sich an Regeln wie Abstand und Maske zu halten.

Forderung nach klarer politischer Botschaft

Bedford-Strohm sagte, er wünsche sich "Hörbereitschaft und Verständnis" für die Situation vor Ort, aber "natürlich auch - da verstehe ich die Kanzlerin -, dass man die Verabredungen einhält".

Nach dem Kassieren des Beschlusses der sogenannten Osterruhe, der in der vergangenen Woche viel Kritik auch seitens der Kirchen hervorgerufen hatte, empfahl Bedford-Strohm einen baldigen erneuten Austausch der Regierungschefs und -chefinnen von Bund und Ländern, "der dann ermöglicht, dass die Runde mit einer gemeinsamen Position an die Öffentlichkeit gehen kann".

Das "Hü und Hott" der vergangenen Woche koste Vertrauen. Es werde eine klare politische Botschaft gebraucht, sagte er.

Gemeinden treffen selbstständig Entscheidung über Ostergottesdienste 

Dabei zeigte der Bischof Verständnis für das Ringen der unterschiedlichen Interessen. Vor der Sitzung der Kirchenkonferenz in der vergangenen Woche, in der es um Präsenzgottesdienste zu Ostern ging, habe auch er nicht gewusst, wie sich die Landeskirchen jeweils in der sehr schwierigen, nervösen Situation positionieren.

Die Antwort sei am Ende einmütig gewesen, sagte er und verteidigte den Beschluss der Landeskirchen, Gemeinden selbst entscheiden zu lassen, ob sie Präsenz- oder digitale Gottesdienste anbieten.