Vor 20 Jahren lagen die Abonnentenzahlen etwa bei 2500. Heute sind es 850. "Am Schluss entstand ein Defizit von 30.000 Euro, das den demokratischen aber auch schwierigen Beschluss der Dekanatssynode beeinflusste, die beliebte Lektüre zum Ende des Jahres 2016 einzustellen", sagt Christoph Schieder.

Der Memminger Dekan bedauert das. Er weiß genau, wie die Leser Jahr für Jahr mit dem Presseausschuss-Team um die Zukunft der Dekanatszeitschrift Die Gemeinde gebangt hatten. Allerdings wurde das ehemals einzige Informationsblatt für viele Kirchengemeinden des evangelisch-lutherischen Dekanats Memmingen seit über einem Jahrzehnt immer mehr von den Gemeindebriefen der einzelnen Pfarreien verdrängt.

Das Blatt als "guter Freund"

Dabei hat Die Gemeinde eine ansehnliche und lange Vergangenheit. Beim Stöbern in der Sakristei von St. Martin entdeckte der Dekan die allerersten zwei Flugblätter, die zum Kriegsende von 1918 erschienen waren. Sie trugen die Überschriften: "Die Zukunft unserer Kirche" und "Willkomm-Gruss unseren heimkehrenden Krieger".

Die letzte Redaktionssitzung der Memminger Dekanatszeitung »Die Gemeinde« im November 2016.
Bei der letzten Sitzung des Presseausschuss-Teams tauschen die Mitglieder Anekdoten aus den vergangenen Jahren aus.

Im August/September 1921 erschien dann das Heft "Evangelisches Gemeindeblatt für das Allgäu (Memminger Ausgabe)", das 1,50 Mark pro Quartal kostete. Damals wandte sich Pfarrer Otto Daumiller von St. Martin an die Leser: "Das Blatt kommt wie ein guter Freund in Eure Häuser und bittet um freundliche Aufnahme."

Das Evangelische Gemeindeblatt geriet in den 30er-Jahren in die "Schar der unerwünschten Schriften und erlag im Mai 1941", schrieb Dekan Friedrich Emmert später in der Ausgabe der neuen Dekanats-Zeitschrift Die Gemeinde, die Januar/Februar 1953 ihren erfolgreichen Versuch als Blatt für die Kirchengemeinden startete. Diesmal wurden auch Heimatvertriebene und Flüchtlinge in den Artikeln berücksichtigt.

Heute, im Jahr 2016, ist das Presseausschuss-Team stolz darauf, Die Gemeinde weitere 63 Jahre erfolgreich am Leben erhalten zu haben. Wehmut gemischt mit einer Abschiedsstimmung ist bei dem Team zu spüren. Zur allerletzten Sitzung im November brachten die Mitglieder alte Exemplare des Blatts und Erinnerungsfotos mit. Beim Gespräch wurden spontan kleine, nostalgische Anekdoten ausgetauscht.

"Pfarrer Peter Aldebert von St. Martin und August Schöllhorn, der damalige Redaktionsleiter des Dekanatsblatts, hatten mich zur Jubiläumsfeier des Evangelischen Presseausschusses am 19. Januar 1973 eingeladen", erinnert sich Helene Zeller. Ab diesem Zeitpunkt übernahm sie die Anzeigen-Werbung für das Dekanatsblatt, die sie erst 2005 abgab. "Ich fuhr Monat für Monat mit meinem Fahrrad zu den Geschäftsleuten in Memmingen und lernte sie so mit ihren Freuden und Sorgen kennen", sagt sie.

Dekan Christoph Schieder (li.) und Chefredakteur Pfarrer Roland Becker mit den Ausgaben des Gründungsjahrs 1953 (Foto vom November 2016).
Dekan Christoph Schieder (li.) und Chefredakteur Pfarrer Roland Becker mit den Ausgaben des Gründungsjahrs 1953.

Der engagierte Chef der Kirchenverwaltung, August Schöllhorn, konnte auch Gerta Köhle Mitte der 80er-Jahre für die Buchführung des Blatts gewinnen. Köhle hat die gesamten Ausgaben der Zeitschrift gesammelt. Beim Durchblättern fiel ihr auf, "wie vielseitig das Gemeindeleben im Memminger Dekanat ist". Das Blatt war ihr immer wichtig, um "über den eigenen Kirchturm hinauszuschauen und zu erfahren, was in anderen Gemeinden geschieht".

Dekan Christoph Schieder erinnert sich an seine ersten Begegnungen ab 1995 mit der Gemeinde. Im Pfarrhaus in Woringen hatte Schwiegervater Pfarrer Adolf Kemnitzer die Zeitschrift immer neben seinem Platz am Esstisch. "Für mich war es ein Ritual, da reinzuschauen. Die äußere farbliche Gestaltung war mir neu, und die Themen waren interessant", sagt der Dekan.

Wie Andreas Marx trauert das Team der Zusammenarbeit mit dem vor drei Jahren "allzu früh verstorbenen aufmüpfigen Geist Walter Angerer" nach. Der Kalligrafie-Künstler kam mit seiner Grafik und Gestaltung zu Marx ins Fotostudio, wo sich aus der gemeinsamen, intensiven und 25 Jahre währenden Arbeit eine Freundschaft entwickelte. "Die zwei Männer saßen immer da und diskutierten, bis Angerer einmal bemerkte: ›Hier schlage ich ein freches Grau vor‹", erinnert sich Susanne Marx und schmunzelt.

Anfänglich gestalteten beide Künstler Die Gemeinde abwechselnd in Schwarz-Weiß und in Farbe, um Geld zu sparen.

Die Sitzungen des Presseausschusses mit dem Gedankenaustausch und der lockeren, heiteren Atmosphäre werden den Mitgliedern fehlen - da waren sie sich beim letzten Treffen einig. Vermissen werden die Dekanatszeitschrift aber auch viele Leserinnen und Leser. In Briefen und persönlichen Gesprächen bedauerten sie den Verlust ihrer Gemeinde.

 DIE AUTORIN gehört selbst dem Presseausschuss-Team der Dekanatszeitschrift Die Gemeinde an.

 IM INTERNET: www.memmingen-evangelisch.de