Auf dem Giebel des Vöhlinschlosses im schwäbischen Illertissen nistet ein Storchenpaar. Es ist dort schon einige Jahre heimisch. Wenn die beiden langbeinigen Vögel gerade zu Hause sind, können Besucher sie vom Hof des Schlosses aus gut beobachten. Die Störche sind aber nicht die einzigen Tiere, die das 500 Jahre alte Renaissance-Schloss beherbergt. Im Innern des Gebäudes ist ein ganzes Bienenvolk zu Hause. In einem gläsernen Schaubienenstock summt und brummt es. "Schauen Sie, da ist die Bienenkönigin", sagt Walter Wörtz und zeigt mit dem Finger auf eine Biene, die sich hinter dem Glas durch ihr wuseliges Volk wühlt: "Wir haben sie eigens mit einem Punkt markiert."

Wörtz leitet das Bayerische Bienenmuseum, das sich im ersten Stock des Vöhlinschlosses befindet. Das Museum gibt es schon seit 1983. Während der jahrelangen Renovierung des Schlosses war es jedoch geschlossen. Wörtz und seine Mitarbeiter nutzten die Zeit bis Ende 2016, um das Museum komplett zu überarbeiten. Der Aufwand hat sich gelohnt: Im vergangenen Jahr habe man mehr als 10.000 Besucher verzeichnet. "Wir sind schon fast an der Kapazitätsgrenze", sagt Wörtz: "Die Leute sind einfach für das Thema Biene sensibilisiert."

Dass das kleine Insekt auf so großes Interesse stößt, hat damit zu tun, dass es vielerorts bedroht ist – von Pestiziden und mangelnder Blütenvielfalt.

Dieses Thema spielt natürlich eine Rolle im Bienenmuseum. Vor allem aber kann man dort auf 300 Quadratmetern die "Apis melifera", die westliche Honigbiene, kennenlernen: von der Biologie die Biene über die Geschichte der Honigproduktion – bis zur Kulturhistorie. Denn die Biene war zu allen Zeiten ein angesehenes Tier.

Bereits 6500 vor Christus gab es in Ägypten die erste Bienenzucht. Die Griechen prägten Bienen auf Geldstücke.

Und auch im Christentum wurde das goldgelbe Insekt sehr geschätzt – nicht zuletzt, weil die Kirchen Bienenwachs zur Herstellung von Kerzen benötigten.

"Es waren die Klöster, die die Bienenzucht und die Imkerei in Europa voranbrachten", erläutert Walter Wörtz. Parallel dazu gab es im Mittelalter große Gebiete, in denen Waldimkerei betrieben wurde. Bei Nürnberg etwa siedelten die sogenannten "Zeidler" Bienenvölker in Baumhöhlen an und gewannen so deren Honig. Die Zeidlerei "war ein Grund dafür, dass Nürnberg später zur Lebkuchenstadt wurde", erklärt Walter Wörtz. Bis ins 18. Jahrhundert sei Honig das einzige Mittel gewesen, um Speisen zu süßen.

Wie der Bienen-Nektar über die Jahrhunderte hinweg gewonnen wurde – auch das macht das Museum anschaulich. Die hohlen Baumstämme im Mittelalter wurden später durch Bienenkörbe abgelöst. Dann kamen die Bienenbeuten: Holzkästen, in denen Bienenwaben in Rahmen eingehängt werden. Auch eine historische Honigschleuder kann man im Museum begutachten.

Ein besonderer Schatz ist jedoch die größte Grafiksammlung zum Thema Bienen in Deutschland.

Die rund 500 Zeichnungen und Drucke stammen größtenteils von Karl-August Forster (1899-1984). Der Pharmazeut und Chemiker hatte in den 30er Jahren ein Arzneimittel aus Bienengift gegen rheumatische Krankheiten entwickelt. Um es massenhaft herzustellen, baute Forster bei Illertissen eine der größten Bienenzuchtfarmen Europas auf. Arbeiterinnen verbrachten dort den Tag damit, Bienen in Löschblätter stechen zu lassen. Das Gift wurde extrahiert, gefriergetrocknet und für die Herstellung einer Bienengift-Salbe verwendet. Das Arzneimittel wird heute nicht mehr hergestellt. Forsters Sammlung jedoch bildete den Grundstock für das Bayerische Bienenmuseum.

Das Bienengift ist nur ein Beispiel dafür, wie sich der Mensch die Biene immer wieder zunutze machte.

In der Landwirtschaft ist sie bis heute nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier.

Das liege vor allem an ihrer Fähigkeit, Blütenpflanzen zu bestäuben, erläutert Museumsleiter Wörtz. Gerade auf dem Land gebe es davon jedoch wegen der Monokulturen auf den Feldern immer weniger. "Die Biene hat Probleme", sagt Wörtz: "Aber es ist auch ein Umdenken spürbar." So sei noch vor 20 Jahren die Imkerei vor dem Aus gestanden. Heute gebe es vor allem in den Städten eine Renaissance. Gerade bei jüngeren Leuten habe die Biene wieder viele Fans, meint Wörtz: "Mit unserem Museum wollen wir dazu beitragen, dass das so bleibt."