Für die Erwachsenenbildung in Bayern war der 11. Juli 2018 ein wichtiges Datum: An diesem Tag wurde das neue Bayerische Erwachsenenbildungsförderungsgesetz (BayEbFöG) verabschiedet. Zur "fünften Säule in der bayerischen Bildungslandschaft", die von der öffentlichen Hand gefördert wird, gehört auch die Arbeitsgemeinschaft Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern (AEEB). Pfarrer Christian Düfel ist ihr theologischer Leiter und seit 1. Mai "Beauftragter für Erwachsenenbildung" in der bayerischen Landeskirche. Ein Gespräch über spirituelle Sehnsucht und "religiös Unmusikalische".

 

Das Bayerische Erwachsenenbildungsförderungsgesetz ist seit 1. Januar in Kraft. Was bedeutet das für die Arbeit der kirchlichen Bildungswerke?

Düfel: Das alte Gesetz stammte aus dem Jahr 1974 und war aus vielerlei Gründen überholt. Positiv bei der Neufassung ist, dass religiöse Bildung ausdrücklich als eines der Ziele von Erwachsenenbildung benannt wird – das war vorher nicht der Fall. Damit wird nun auch offiziell vom Staat bestätigt, dass sie zu den Grundaufgaben öffentlicher Bildung gehört.

Haben Sie schon ein konkretes Ziel?

Düfel: Wir sollten besonders die Erwerbstätigen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren in den Blick nehmen. Das ist auch genau die Gruppe, die am wenigsten Bindung zur Kirche hat und relativ wenig Bildungsveranstaltungen besucht. Das muss nicht am mangelnden Interesse liegen, sondern eher an der fehlenden Freizeit. Mir persönlich ist auch wichtig, dass Kirche und Kultur im Gespräch bleiben und wir uns dem Thema Digitalisierung nicht verschließen.  Wir sollten auch verstärkt versuchen, die Menschen dort zu erreichen, wo sie leben und arbeiten.

Auch am Arbeitsplatz?

Düfel: In diesem Umfeld könnte man durchaus Präsenz zeigen, und das relativ niederschwellig. Beispielsweise im Gewerbegebiet mit einem Café, in das die Leute einfach hineingehen und zwanglos ins Gespräch kommen können.

Sie haben die Erwachsenenbildung auch ein "Fenster in die Gesellschaft" genannt …

Düfel: Ja. Es ist wichtig, dass wir uns als Kirche in der demokratischen Gesellschaft deutlich positionieren. Etwa bei Wahlen: Wie können wir uns positiv dazu verhalten, wie mischen wir uns da ein? Ich bin überzeugt, dass wir hier auch einen gesellschaftlichen Auftrag haben. Denn die europäische Dimension ist auch für Bildungsarbeit wichtig!

Wo sehen Sie besondere Herausforderungen in der evangelischen Erwachsenenbildung?

Düfel: Wir müssen überlegen: Was ist das Spezifische, das wir in der evangelischen Erwachsenenbildung anbieten können? Und zugleich: Was brauchen die Menschen? Da spielt der religiös-spirituelle Bereich eine wichtige Rolle, denn die Fragen nach Gott und der Welt oder nach dem Sinn des Lebens sind zeitlos aktuell. Mir ist es ein Anliegen, dass religiöses Wissen und eine religiöse Bildung erhalten bleiben, weil das uns Menschen guttut.

Damit wollen Sie auch kirchlich eher distanzierte Menschen erreichen?

Düfel: Es geht darum, auf alle Menschen zuzugehen, neue Themen und Zielgruppen zu erschließen, ohne die "Kernschicht" der evangelischen Bildungsarbeit zu vernachlässigen. Wir wollen aber auch Menschen ansprechen, die nicht Teil der christlichen Kerngemeinde sind und denen unsere Rituale und Gottesdienste unbekannt sind. Auch konfessionslose Menschen, die nicht im klassischen Sinn "christlich sozialisiert" sind, haben oft eine Sehnsucht nach Spirituellem. Mit diesen "religiös Unmusikalischen" wollen wir im Gespräch bleiben. Evangelische Erwachsenenbildung pflegt offene Dialoge. Auch der interreligiöse Dialog bleibt dauerhaft ein wichtiges Thema.

Ein Ausblick: Wie werden sich die zurückgehenden Kirchenmitgliederzahlen auswirken?

Düfel: Weniger Kirchenmitglieder bedeuten natürlich auch weniger finanzielle Ressourcen. Allerdings wäre es falsch, sich aus Sorge davor hinter unsere Kirchenmauern zurückzuziehen. Auf die evangelische Erwachsenenbildung warten wichtige Aufgaben! Gehen wir auf die Menschen zu! In unseren Bildungseinrichtungen haben wir hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wenn diese weiter mit so viel Herzblut und mit österlicher Freude im Herzen auf die Menschen zugehen, ist mir um die Zukunft nicht bange.