Wie Salat schmeckt, das wusste Olli* lange nicht. Denn den hatte er noch nie gegessen. »Überhaupt war ihm Gemüse fremd«, erzählt Sandra Wilhelmi, bei der Olli heute lebt. Der Fünfjährige wurde in seiner Ursprungsfamilie vernachlässigt, heißt es. »Er scheint immer nur Wurstbrot gegessen zu haben«, sagt Sandra Wilhelmi. Bei ihr bekommt der Junge gesundes Essen. Und Liebe. Und Geborgenheit.

Sandra Wilhelmi ist eigentlich Industriekauffrau. Vor 20 Jahren, als ihre erste Tochter zur Welt kam, stieg sie aus dem Job aus. Wenig später kündigte sich ihr zweites Kind an. Und weil es sie erfüllte mit Kindern zusammen zu sein, nahm sie weitere Jungen und Mädchen aus den nahe gelegenen Kitzinger Nachbarorten als Tagesmutter auf.

Irgendwann erfuhr Wilhelmi, dass sich die Evangelische Jugendhilfe Kinder annimmt, denen es in ihren Familien nicht so gut geht. Direkt nach der Inobhutnahme durch das Jugendamt werden sie für etwa sechs Wochen in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Bereitschaftspflegemutter zu werden fand Sandra Wilhelmi eine schöne Idee.

Den Moment, als sie den ersten Jungen bei sich aufnahm, wird Wilhelmi nie vergessen, sagt sie. Er war 15, hatte offenbar Traumatisches in seiner Familie erlebt. Insgesamt sechs Monate - viel länger als eigentlich vorgesehen - lebte der Teenager bei den Wilhelmis.

Unterstützung durch Sozialpädagogen

Insgesamt zehn Bereitschaftspflegefamilien kooperieren derzeit mit der Evangelischen Jugendhilfe in Würzburg, berichtet Margit Dittrich. Als Pädagogische Leiterin ist sie für die in ganz Unterfranken verteilten Familien zuständig. »Mindestens einmal in der Woche, oft häufiger, schaut ein Sozialpädagoge bei den Familien vorbei«, sagt Dittrich. Er spricht mit dem Kind darüber, wie es nach der Auszeit von der eigenen Familie weitergehen könnte. Kommt eine Rückkehr nicht infrage, werden während der Zeit in der Bereitschaftspflege gemeinsam Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe angeschaut.

Sandra Wilhelmi hat bisher etwa ein Dutzend Pflegekinder bei sich aufgenommen – vom Wickelkind bis zum Teenager. Auch junge Flüchtlinge kamen schon bei ihr unter. »Vielen hat man angemerkt, dass sie Schreckliches erlebt haben«, sagt sie. Wobei die allermeisten trotz ihrer schlimmen Erfahrungen ausgesprochen freundlich waren. Gibt es dennoch mal Probleme, ist das Jugendhilfe-Team rund um die Uhr erreichbar.

Wilhelmi begann 2013 eine Ausbildung zur Erzieherin. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass Olli als »externes« Heimkind bei den Wilhelmis leben darf. Margit Dittrich von der Evangelischen Jugendhilfe sucht indes weitere Familien, die wie die Wilhelmis bereit sind, ein Kind bei sich aufzunehmen.

 

*Name geändert