Die Protestanten in Giesing trennt ein garstiger Graben: Zwischen der Lutherkirche mit Pfarramt hier und Gemeindehaus dort dröhnt vierspurig der Münchner Stadtverkehr entlang. Die Martin-Luther-Straße ist eine Verkehrsschlagader, die zu allen Tageszeiten von Berufspendler, Lastwagen, Müllabfuhr genutzt wird. "Das ist in den letzten Jahren immer schlimmer geworden", sagt Pfarrerin Karin Wolfgang.

Dass die Straße bald keine große Rolle mehr spielen wird, ist deshalb vielleicht das augenfälligste Ergebnis, das der anstehende Umbau des Komplexes mit sich bringt. Denn um das rund 6 Millionen Euro teure Projekt finanzieren zu können, hat sich der Kirchenvorstand dazu entschlossen, das sanierungsbedürftige Gemeindehaus in der Weinbauernstraße aufzugeben, in dem bislang Mutter-Kind-Gruppen gespielt und Senioren geturnt haben, wo die Jugend ihren Keller hatte und zahlreiche Gemeindefeste stattfanden.

Lutherkirche München Giesing Gemeindehaus
Das alte Gemeindehaus an der Weinbauerstraße wird abgerissen. Das Grundstück übernimmt die Landeskirche in Erbpacht, um darauf günstige Wohnungen zu bauen.

Der Abschied falle vielen nicht leicht, sagt Pfarrerin Wolfgang, deshalb "sollen alle, die hier zu Hause waren, später einen noch schöneren Platz finden". Dauerhaft verloren ist der Standort für die Giesinger jedoch nicht: Denn statt durch einen Verkauf einmalig eine hohe Summe zu erzielen, gibt die Gemeinde das attraktive Grundstück in Erbpacht an die Landeskirche weiter - die wiederum darauf bezahlbaren Wohnraum errichten will.

Erst durch dieses Ertragsmodell sowie durch Zuschüsse von Dekanat und Landeskirchenamt wird das Rundumpaket für die Lutherkirche möglich: Das Pfarramt wird entkernt, energetisch saniert und bekommt moderne Lüftungssysteme gegen die Abgase von draußen. "Dadurch verbessern wir die Arbeits- und Wohnqualität deutlich", freut sich Pfarrerin Wolfgang, die selbst 17 Jahre lang an der lauten Straße gelebt hat.

Klare Raumstruktur im Pfarrhaus

Auch die verschachtelte Raumstruktur, bedingt durch viele kleine Umbaumaßnahmen in den Nachkriegsjahren, wird begradigt. Aus verwinkelten Durchgangszimmern soll wieder eine klare Raumaufteilung werden: mit Gemeinderäumen im Erdgeschoss, Räumen für die Verwaltung im ersten Stock und einer großzügigen Pfarrwohnung unter dem Dach.

Lutherkirche München Giesing Pfarrerin Karin Wolfgang
Pfarrerin Karin Wolfgang im Innenhof des Pfarrhauses. Hier ist ein ebenerdiger Gemeindesaal geplant, der dann - barrierefrei - die Kirche mit dem Pfarrhaus verbinden wird und Platz schafft für Veranstaltungen.

Der brachliegende Innenhof ist der Clou des neuen Komplex: In die enge Lücke zwischen Kirche, Gemeindehaus und Nachbarbauten praktizieren die Architekten vom Büro Landbrecht einen ebenerdigen Gemeindesaal hinein. Wo die Giesinger Protestanten früher nach Festgottesdiensten erst einmal die breite Straße überqueren mussten, um zum Stehempfang zu gelangen, gibt es bald eine Abkürzung: Mittels Durchbruch in der Kirchenwand und überdachtem Gang ist der neue Saal direkt aus der Kirche zu erreichen.

Zudem bekommen Kirche und Pfarramt auf diesem Wege einen barrierefreien Zugang - von den "Inklusionären" der Offenen Behindertenarbeit (OBA) auf Herz und Niere geprüft. "Der Alltag wird in vielen Punkten leichter werden", ist sich Pfarrerin Wolfgang sicher.

Denkmalschutz und Lage treiben die Kosten

Zwei Umstände machen das Projekt teuer: Zum einen ist das ganze Ensemble von Lutherkirche und Pfarrhaus denkmalgeschützt, zum anderen ist die Baustelle im engen Hinterhof direkt auf der Giesinger Höhe für große Baufahrzeuge extrem schlecht zu erreichen. "Ich weiß gar nicht, wo hier der Kran stehen soll", sagt Karin Wolfgang.

Im April geht es los, und wenn alles reibungslos läuft, könnte der Umbau in zwei Jahren abgeschlossen sein - zu spät für die Pfarrerin, die im Frühjahr 2020 in den Ruhestand geht.

Kompaktes Zentrum für Giesinger Protestanten

Der Gemeinde jedoch bleibt dann ein kompaktes Zentrum evangelischen Lebens. Zwar wird nicht mehr jede Gruppe ihren eigenen festen Raum haben, weiß Wolfgang: "Es wird einen Belegungsplan geben, so können wir die Räume optimal auslasten."

Dafür macht sie sich um das Leben in Luther keine Sorgen: Waren 2001 die Beerdigungszahlen hoch, so überwogen 2018 die Taufen, zitiert die Pfarrerin die Statistik der 6.800-Seelen-Gemeinde. "Die Räume werden gefüllt sein", ist Karin Wolfgang zuversichtlich.