Allerdings hat die Vorbereitung der Residenz-Ausstellung »Julius Echter, Patron der Künste« gezeigt: »In Würzburg gibt es kaum zeitgenössische Darstellungen zu diesem Thema«, sagt der Vorstand des Instituts für Kunstgeschichte, Prof. Eckhard Leuschner. Er vermutet: »Weil Echter auf Breitenwirkung zielte, stand die Malerei nicht ganz so im Zentrum seines Interesses, sondern die viel öffentlichkeitswirksamere Architektur.«

Katholische Gegenreaktion

Oder, wie sein Kollege Professor Damian Dombrowski, ebenfalls Würzburg, es formuliert: »Echter wollte die Dinge wohl nicht bis auf den Jüngsten Tag verschieben.«

Trotzdem: Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Hölle lassen sich vereinzelt auch in Franken festmachen. Lucas Cranach malte ein Weltgericht »in der neugläubigen Bilderwelt«, so Leuschner. Da thront Jesus Christus über den Gerechten und Verdammten gleichermaßen, nicht mehr, wie im Mittelalter oftmals, der allein strafende Gott. »Dieser zürnende Richter des Alten Testaments passte nicht zu Luthers Theologie der Gnade.«

Drastisch geht es weniger auf Tafelgemälden als in reformatorischen Flugschriften zu. Da befindet sich der römische Klerus im freien Fall gen Höllenschlund. Indes, solche Agitationsblätter seien fast nur druckgrafisch verbreitet, nicht in der repräsentativen Ölmalerei, subsumiert der Kunsthistoriker. Für Altargemälde habe sich in protestantischen Gotteshäusern als Standard das Motiv »Jesu mit siegreicher Flagge über den Teufeln« herausgebildet.

Reaktionen der katholischen Kirche

Interessant findet Professor Eckhard Leuschner, »wie die katholische Seite darauf reagiert«. Das tat sie, so der Würzburger Forscher, im Zentrum ihrer Macht, im Vatikan, in der brandneuen Sixtinischen Kapelle. Das Bildprogramm für Michelangelos Jüngstes Gericht gehe noch auf die frühen 1530er-Jahre und den Medici-Papst Clemens VII. zurück, sagt Leuschner. Und zeigt auf eine ganze Reihe von dezidiert nicht lutherischen Details.

Da wird zum Beispiel ein auferstehender Toter an einem Rosenkranz aus seinem Grab gezogen. »Diese dominikanische Perlenschnur« sei in der reformierten Bildwelt undenkbar. Maria, von den Katholiken als wichtigste Heilige verehrt, findet einen äußerst prominenten Platz an der Seite ihres Sohnes. Auch nicht sehr evangelisch. Ein Fegefeuer glüht, die Märtyrer halten ihre Werkzeuge »in Verteidigungshaltung gegen die Höllenkräfte hinab«, demonstriert Leuschner und fasst zusammen: »Da wird ganz kräftig katholisch aufgetragen.«

Was zuvor sehr selten auf Kirchenbildern auftauchte: Bücher. Die Bücher, in denen die guten und bösen Taten der Menschen verzeichnet sind. In der Regel kann auch der Laie diese Papiererzeugnisse, selbst wenn sie nur als weißer Block dargestellt sind, leicht identifizieren. Denn im Zusammenhang mit dem Weltgericht können eigentlich nur Sündenregister gemeint sein. Außerdem treten die Schriftstücke wie bei Michelangelo meist zweifach auf: Die große Akte ist für die Missetaten, die kleine für die guten Werke. Es sind wenige verzeichnet, aber die wirken nach dem Tode – abermals ein katholisches Theologem, weit entfernt von der Luther’schen Gnadenlehre: »Du fällst niemals tiefer als in Gottes Hand.«

Die Antwerpener Lehre

Nun hatten ausschließlich ein paar Kardinäle Zugang zu diesen gegenreformatorischen Aussagen der Sixtinischen Kapelle. Trotzdem verbreiteten sich die katholischen Motive nach 1541 über Kupferstiche rasch im restlichen Europa. Und trafen dort verschiedenenorts auf protestantische Gegenmaßnahmen, erzählt der Kunstgeschichtler Eckhard Leuschner, der besonders in Antwerpen geforscht hat.

Denn diese Stadt wurde zunächst protestantisch, dann rekatholisiert, und das schlug sich in dieser Kunststadt wie unter einem Vergrößerungsglas nieder. Da gab es dann Darstellungen, auf denen der strafende Gott in den Hintergrund rückt, im Vordergrund Auferstehung und allegorische Bildnisse der Tugenden – sozusagen eine überkonfessionelle, allgemeingültige Aussage.

Zwei besonders bezeichnende Blüten gefallen Leuschner an Antwerpen. Zum einen ließ der katholische Verleger Plantin sein Familienaltarbild mit recht auffälligen Büchern ausstatten: So begegnen sich der Geist der guten Werke und ein gewisser Gewerbefleiß. Den Geist der Gegenreformation atmete auch der junge Peter Paul Rubens ein. Der schuf dann für Neuburg a. d. Donau ein monumentales Weltgericht. Die Sechs-Meter-Leinwand hängten die Jesuiten in ihren frisch rekatholisierten Dom – ausgerechnet zum 100. Jahrestag von Luthers Thesenanschlag, 1617.