An den Abriss des alten Pfarrhauses kann sich Frank Kreiselmeier noch gut erinnern: »Das hat mir schon wehgetan, als die Bagger hier alles platt gemacht haben«, sagt der Pfarrer der Augsburger Kirche St. Ulrich. Elf Jahre hatte er mit seiner Familie in dem Haus gewohnt, das gegenüber dem prominenten Ensemble der beiden Ulrichskirchen liegt. Noch einmal gut fünf Jahre musste Kreiselmeier dann von seinem Arbeitsplatz aus auf die Baulücke mitten im Zentrum von Augsburg schauen. »Aber nun wird man jeden Tag sehen können, wie hier etwas Neues entsteht«, sagt der Pfarrer – und man hört ihm an, wie erleichtert er darüber ist.

Bis zum Sommer 2019 wird die evangelische Kirche auf dem Eckgrundstück am Ende der Maximilianstraße drei neue Gebäude bauen. Nach jahrelanger Planung und archäologischen Grabungen wird damit eine der markantesten Baulücken Augsburgs aus dem Zweiten Weltkrieg geschlossen. »Ein neuer evangelischer Ort« solle hier entstehen, sagt der evangelische Regionalbischof Michael Grabow.

Noch ist freilich nicht viel zu sehen auf dem Grundstück am Ulrichsplatz 17. Derzeit heben Bagger die Grube für die Tiefgarage aus. Ab April sollen die Arbeiten am Rohbau beginnen, im Juni ist die Grundsteinlegung geplant. In den kommenden zwei Jahren sollen dann drei moderne Häuser entstehen, in denen kirchliche Institutionen untergebracht sind: die evangelische Kirchengemeinde St. Ulrich, der Augsburger Regionalbischof als Vertreter der bayerischen evangelischen Landeskirche und das evangelische Kirchengemeindeamt Augsburg.

Kosten steigen auf elf Millionen Euro

»Für einen Bauherrn alleine wäre das Projekt nicht zu stemmen gewesen«, sagt Pfarrer Kreiselmeier. So sei die Idee zu einem kirchlichen Zentrum entstanden. Die Planung des mehrfach ausgezeichneten Berliner Architekturbüros Staab sieht vor, dass die drei Häuser einen gemeinsamen Innenhof umschließen. In den Häusern sind Büros, Gemeinderäume, Dienst- und Wohnräume des Regionalbischofs und die Wohnungen für die beiden Pfarrer von St. Ulrich untergebracht.

Die Kosten für den Bau veranschlagt die Kirche bislang auf rund elf Millionen Euro. Sie seien zwar gegenüber der ursprünglichen Planung gestiegen. »Das hat aber nichts mit ›goldenen Wasserhähnen‹ zu tun«, betont Regionalbischof Grabow: »Wir haben sorgsam darauf geschaut, dass die Kosten im Rahmen bleiben. Und die Synode hat alles geprüft.«

Mehraufwand sei dadurch entstanden, dass das Nachbargebäude und die historische Mauer um das Grundstück aufwendig gesichert werden mussten. Außerdem seien in den Jahren, in denen auf dem Grundstück archäologische Ausgrabungen stattfanden, die Baukosten deutlich gestiegen.

Lageplan neues evangelisches Zentrum in Augsburg
Der Lageplan: Auf dem Eckgrundstück sollen drei Gebäude entstehen, die einen gemeinsamen Innenhof umschließen.

Zu Beginn der Arbeiten im Jahr 2012 hatte man ursprünglich ein halbes Jahr für die Ausgrabungen veranschlagt. Am Ende wurden mehr als vier Jahre daraus. Die Archäologen stießen auf ein ausgedehntes Gräberfeld aus der Römerzeit. »Das war für die Wissenschaftler natürlich eine einmalige Gelegenheit«, sagt Michael Grabow. »Für uns war es immer wieder eine Geduldsprobe.«

Umso größer ist daher die Freude über den Baustart – gerade bei der Ulrichsgemeinde. »Wir hatten bisher kein Gemeindehaus, das uns gehört«, erklärt Frank Kreiselmeier. Die bisherigen Gemeinderäume in einem Nachkriegsgebäude, in dem sich früher eine Reinigung befand, seien angemietet – und nicht barrierefrei. »Nun bekommt die Gemeinde ein eigenes Zentrum«, erläutert der Pfarrer. Die Räume für die Gemeindearbeit liegen dann alle im Erdgeschoss und sind daher leicht zugänglich. Auch dass die Kirchenverwaltung und das Büro des Regionalbischofs direkte Nachbarn seien, sei ein Vorteil.

Auf der Suche nach einem Namen

Umgekehrt hält es der Regionalbischof für ein »spirituelles Zeichen, wenn man unmittelbar dort wohnen und arbeiten kann, wo auch die Predigtkirche steht«. Michael Grabow hält regelmäßig Gottesdienst in St. Ulrich.

Wie Frank Kreiselmeier hofft auch Grabow auf die »Synergieeffekte« des gemeinsamen Standorts. So könne das Büro des Regionalbischofs immer wieder zu Gast in den Gemeinderäumen von St. Ulrich sein. Gleichzeitig habe der Regionalbischof einen Andachtsraum im Gebäude, den alle gemeinsam nutzen können. Alles in allem, so hofft Grabow, soll am Ulrichsplatz 17 »ein neuer Schwerpunkt evangelischen Lebens in Augsburg entstehen, ein zweites Zentrum neben dem Annahof, aber mit gänzlich anderem Charakter – und daher auch ohne Konkurrenz zwischen beiden«.

Eines jedoch fehlt dem neuen Zentrum noch: ein Name. Er werde derzeit gesucht, sagt Frank Kreiselmeier. In der Kirchengemeinde habe man dazu eine Umfrage gestartet. Über die Vorschläge werde nun der Kirchenvorstand beraten. Ob es schon Favoriten gebe, will Kreiselmeier nicht verraten. Die Gemeindemitglieder hätten sich jedenfalls sehr gute Gedanken darüber gemacht, findet der Pfarrer: »Man merkt den Vorschlägen an, wie sehr sich die Gemeinde auf das neue Zentrum freut.«

Hintergrund

Geschichtsträchtiges Grundstück

St. Ulrich in Augsburg

Das Grundstück am heutigen Ulrichsplatz 17 in Augsburg gehört schon seit dem 17. Jahrhundert der evangelischen Kirche. Es liegt schräg gegenüber dem einzigartigen Ensemble von katholischer und evangelischer Ulrichskirche und hat eine bewegte Geschichte:

1684/85: Die Pfarrzeche St. Ulrich erwirbt das Renaissance-Anwesen und das Haus. Die evangelische Kirchengemeinde St. Ulrich macht daraus einen stattlichen Pfarrhof.

1944: In der Augsburger Bombennacht wird der Pfarrhof zerstört.

1953/54: Die Kirchengemeinde errichtet ein Pfarrhaus für die erste Pfarrstelle von St. Ulrich.

2010: Bayerische Landeskirche, Augsburger Gesamtkirchengemeinde und die Kirchengemeinde St. Ulrich schließen sich zusammen, um gemeinsam einen Neubau zu realisieren. Es wird ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben.

2011: Der Architekt Volker Staab gewinnt den Wettbewerb. Sein Entwurf sieht drei Gebäude vor, die die historisch bedeutende Bebauung der Umgebung aufnehmen.

2012: Die archäologischen Arbeiten beginnen. Bei den Ausgrabungen werden Gräber aus der Römer- und der frühchristlichen Zeit gefunden. Am Wandel der Grabbeigaben lässt sich unter anderem der Übergang vom Heidentum zum Christentum aufzeigen. Die Bedeutung der Funde führt dazu, dass die Ausgrabungen deutlich länger dauern als ursprünglich gedacht.

2017: Die Ausgrabungen kommen zum Abschluss. Der Bau des evangelischen Zentrums beginnt. Er soll bis Sommer 2019 dauern.