Herr Engeler, warum sind viele Landwirte momentan so wütend, dass sie nun auf die Straße gehen und demonstrieren?

Engeler: Die Landwirte fühlen sich zu unrecht an den Pranger gestellt, so wie sie es ja auch selbst sagen. Neben den paar schwarzen Schafen, die es in jeder Branche gibt, gibt sich die überwältigende Mehrheit der Landwirte viel Mühe und macht sich Gedanken, wie sie nachhaltig und umweltverträglich wirtschaften kann. Auch ich empfinde so manche Äußerungen von Politikern oder Zeitungsartikeln zu undifferenziert.

Neben Verständnis für den Protest gibt es auch Kritik: Die Verbände der Bauern seien an der Misere Mitschuld, heißt es.

Engeler: Das kann man zumindest nicht von der Hand weisen, die Bauernverbände haben über Jahrzehnte die Agrarpolitik als Lobbyisten mitgeprägt und auch mitbestimmt.

Etliche Landwirte fühlen sich aber von "ihren" Verbänden nicht mehr gut vertreten. Und sie ärgern sich, dass der Bauernverband die Traktoren-Demos nicht mit unterstützt hat. Einmal mehr fühlen sich die Bauern also im Stich gelassen.

Ähnliche Entfremdungen zwischen Landwirten und Verband gab es ja auch schon während er Milchkrise vor vielen Jahren...

Engeler: Damals hat sich deshalb der Bund der Milchviehhalter (BDM) gegründet - das war eine Protestbewegung gegen den Bauernverband. Der Bauernverband tritt schon für Bauern ein, keine Frage. Gerade bei uns in Bayern unterstützt er die kleinen und mittleren Familienbetriebe.

Die Kritik der Bauern richtet sich vor allem gegen Anpassungen an der bisherigen Agrar-Förderpolitik. Die steht ja generell in der Kritik.

Engeler: Das Grundproblem ist: Viele Landwirte können aktuell nicht ohne Subventionen auskommen, dazu sind die Marktpreise deutlich zu niedrig. Nun wird abermals nach dem Prinzip der Gießkanne Geld ausgegossen und man orientiert sich an der bewirtschafteten Fläche. Das finde ich bedauerlich. Die Großen, die wirtschaftlicher arbeiten können, brauchen das teilweise gar nicht, die kleinen Betriebe und Bio-Landwirte kriegen zu wenig.

Anders gesagt: Die Agrarpolitik von EU, Bund und Land, macht vor allem den Kleinbauern das Leben schwer...

Engeler: Ja, kurz zusammengefasst schon. Auch wenn es da freilich nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Aber es ist schon so: Großbetriebe in Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern können völlig anders wirtschaften als ein Familienbetrieb in Westmittelfranken.

Die Politik lässt Kriterien wie Klimaschutz oder Nachhaltigkeit bei der Förderung außer acht. Das ist schade und zerstört kleinbäuerliche Strukturen.

Der Verbraucher trägt sicher auch sein Scherflein dazu bei. Was raten Sie, um die Landwirte durch richtiges Einkaufen zu unterstützen?

Engeler: Ich würde noch ein ganzes Stück vorher ansetzen. Bauern und Verbraucher müssten wieder mehr ins Gespräch kommen darüber, wie und warum sie so wirtschaften. Viele Landwirte verzichten bereits seit langem auf kritische Dünge- oder Spritzmittel und so weiter. Aber sie kommunizieren das zu wenig. Und die meisten Verbraucher hat es bis vor kurzem auch nicht interessiert, muss man ehrlicherweise sagen.

Kurz gesagt: Wenn alle saisonal, regional und am besten noch bio kaufen würden, wären die bayerischen Landwirte dann zufrieden?

Engeler: Regional und saisonal würde den meisten Landwirten in der Tat helfen - und zwar ohne große Umwälzungen. Dazu müssten aber die Verbraucher genauer hinschauen, wo ihre Ware herkommt. Bei Bio ist die Lage schwieriger. Ich kenne viele, die wollen auf Bio umsteigen. Aber sie finden momentan etwa bei der Milch gar keine Abnehmer, die bereit wären, genug zu bezahlen, damit es kein Minusgeschäft wird.

Wie finden Sie als Pfarrer die Aktion mit den grünen Kreuzen auf den Äckern, die auf das Höfesterben aufmerksam machen soll?

Engeler: Es gibt immer wieder mal Protestaktionen, die über das Ziel hinausschießen, bei denen auch Kreuze verwendet werden und damit die religiösen Gefühle von Christen verletzt werden.

Ich persönlich habe mit den grünen Kreuzen der aktuellen Aktion kein Problem - ich halte es auch aus theologischer Sicht für tolerierbar. Die Landwirte wollen auf das Sterben kleiner Betriebe aufmerksam machen. Ich find's pfiffig.

Ganz generell: Wieso ist es zu so einer Entfremdung zwischen Landwirtschaft und einem großen Teil der Bürger gekommen?

Engeler: Man hat sich ein bisschen aus den Augen verloren - und das hat sicher verschiedene Gründe. Wie ich schon vorhin gesagt habe: Die Landwirte informieren insgesamt zu wenig, wie sie tatsächlich arbeiten. Viele Verbraucher wollen aber vieles auch gar nicht wissen und glauben lieber dem "Heile-Welt-Etikett" auf der Milchpackung. Wenn der Protest jetzt mehr gegenseitiges Verständnis erzeugen würde, wäre das toll.

Manche sagen ja auch, Landwirte jammerten auf hohem Niveau. Ist es wirklich so, dass man als Landwirt nichts verdient?

Engeler: Ja und Nein. Man kann als Landwirt gutes Geld verdienen, aber man muss dafür die Regeln des Marktes mitspielen. Und das heißt für viele: Man muss wachsen, um wirtschaftlich zu arbeiten. Es gibt Nischen, etwa bei speziellen Edelkulturen, da gilt das nicht. In der Regel aber müssen Millionen investiert oder der Betrieb aufgegeben werden. Das muss man dann auch erst einmal stemmen wollen.