Es ist wie ein kleines Wunder, was sich da in der unweit des Chiemsees gelegenen Stadt Traunreut ereignet hat. Inmitten der von Zwiebeltürmen und barocken Prachtkirchen geprägten Landschaft erhebt sich ein komplett aus Eichen- und Fichtenholz errichtetes Gotteshaus der rumänisch-orthodoxen Kirche.
Bundesweit gibt es für deren rund 100 Kirchengemeinden bisher nur in Bonn und München solche Holzkirchen, wie sie traditionell in den Karpaten gebaut werden: weitgehend ohne Metall, in aufwendiger Schwalbenschwanz-Bauweise. Speziell ausgebildete Handwerker aus Osteuropa haben das Gebäude nach dem Vorbild der Holzkirchen im rumänischen Maramures errichtet, die zum Weltkulturerbe zählen. An Christi Himmelfahrt wurde das Gotteshaus von Metropolit und Erzbischof Serafim Jodes eingeweiht.
Typisch orthodox: Ikonen, Gold und Schnitzerei
Pfarrer Constantin Reinhold Bartok ist sichtlich stolz, als er die reich verzierte Eichentür aufsperrt. Im Inneren der Traunreuter Holzkirche bringen farbenfrohe Ikonen und die mit Gold verzierte Ikonostase, eine mit Heiligenbildern und Schnitzereien verzierte Trennwand zwischen Altar- und Kirchenraum, den Raum zum Leuchten. "Als ich vor 13 Jahren mit dem Aufbau der Gemeinde hier in der Region angefangen habe, waren wir eine Handvoll Gläubige", berichtet der Geistliche.
Inzwischen zählt die Gemeinde 1500 Menschen aus dem ganzen Landkreis. Sogar aus den umliegenden Landkreisen bis nach Erding nehmen die Leute lange Anfahrten in Kauf, um gemeinsam Gottesdienst feiern zu können – das warmherzige, humorvolle Gemüt von Constantin Bartok zieht viele Menschen an.
Dass die Gemeinde gerade ihre Blütezeit erlebt, ist auch rund ums Gotteshaus überall zu sehen. Auf Geländern, in Fenstersimsen, in Beeten und in kreisförmig um die Kirche angeordneten Töpfen sorgen Blumen, Bäume und Büsche für grüne und farbige Tupfer auf dem Kiesplatz, auf dem die Kirche steht. Ursprünglich sollte an diesem Ort mitten in einem Wohngebiet ein katholischer Kindergarten entstehen.
Kirche für Heimatvertriebene und Spätaussiedler
Doch die Planungen änderten sich, und so stellte die von Heimatvertriebenen, Spätaussiedlern und vielen Zugezogenen geprägte Stadt der rumänisch-orthodoxen Gemeinde das Grundstück zur Verfügung. Bartok lächelt verschmitzt, als er erzählt, man habe die Kirche in Rumänien bestellt, als noch gar keine Baugenehmigung vorlag. "Wir haben alles in Gottes Hand gelegt, und es hat sich wunderbar gefügt."
Durch viel Eigeninitiative, reichlich Spendengelder und das tatkräftige Mitanpacken vieler Gemeindeglieder konnte der Traum vom eigenen Gotteshaus verwirklicht werden. Hier trifft man sich nicht nur zum Gottesdienst: Bänke laden zum Treffen nach der Arbeit ein, Kinder spielen auf dem benachbarten Spielplatz oder werden beim Hausaufgabenmachen betreut.
Ökumene als Grundpfeiler im Glaubensalltag
Für Bartok ist die Kirche auch ein Ergebnis der Offenheit und des "guten ökumenischen Dialogs" in der Stadt. "Wir waren neun Jahre lang Gäste in der evangelischen Kirche und haben uns dort gut aufgehoben gefühlt. Natürlich ist unsere Kirche jetzt auch offen, wenn dort zum Beispiel der evangelische Frauenbund eine Andacht feiern will." Ebenso pflege man mit den Katholiken in Traunreut ein sehr gutes Verhältnis.
Aufgrund unterschiedlicher Konfessionen bei Eheschließungen in der rumänisch-orthodoxen Kirche sei Offenheit und gelebte Ökumene ein Grundpfeiler im Glaubensalltag, ist Bartok überzeugt.
Ikonenmaler verewigt Selige Irmengard von Frauenchiemsee
Ein Ausdruck dafür ist auch die Ikone der Seligen Irmengard. Ihr Bildnis, geschaffen vom renommierten rumänischen Ikonenmaler Marian Nan, ist nun zwischen zahlreichen Kirchenvätern und Heiligen der Ostkirche an den Wänden des Kirchenschiffs verewigt. Die Königstochter und erste Äbtissin des Klosters Frauenwörth im Chiemsee starb 866, also weit vor der Kirchenspaltung 1054. Von daher passt die von privaten Spendengel-dern finanzierte Ikone gut in eine orthodoxe Kirche.
Sie schlägt als Ortsheilige auch die Brücke zwischen der rumänischen Heimat, an die der Kirchenbau die jetzige Generation von Gläubigen erinnert, und der neuen Heimat in Bayern, wo die vielen getauften Kinder aufwachsen werden. Sagt Bartok, der als verheirateter Pfarrer selbst zwei Töchter und damit die Zukunft immer im Blick hat.