Marianne Lachmann holt eine Schachtel hervor, gefüllt mit Zeitungsausschnitten. Sie kramt einen Bericht aus der "Bild-Zeitung" hervor. Der hat ihre Aktion vor rund 20 Jahren richtig ins Rollen gebracht. Überall in der Republik packten Menschen alte Kruzifixe in Kartons und schickten sie nach Schwabach. Denn dort empörte sich Lachmann, dass Menschen "ein Stück Glauben auf den Müll werfen". Die Flut von Post hat inzwischen nachgelassen, aber die resolute Schwabacherin macht immer weiter.

"Das Holz passt nicht zu meinem Wohnzimmer! Ich weiß nicht, ob man den Herrgott nach so was aussucht", seufzt die 68-Jährige tief gläubige Katholikin, wenn sie gegen die Argumente wettert, wegen derer Menschen ihre Kruzifixe entsorgen. "Wenn man am Kreuz hängt, muss man da noch schön sein?" oder, die Jesusdarstellung am Kreuz sei zu blutig und grausam für die Enkel. "Da sag ich, die schauen ja heute auch Horrorfilme".

Es war damals ein kleiner Aushang im Schaukasten der evangelischen Gemeinde, der Marianne Lachmann auf die Idee brachte. Der Pfarrer schrieb, dass er ein Kreuz im Sperrmüll entdeckt hätte. Für ihn ein Unding. Das fand auch die gläubige Katholikin Lachmann. Sie startete eine Kreuz-Sammlung. "Das Kreuz ist für mich ein ganz großes Kraftpaket. Daran kann ich mich festhalten", sagt sie. Es habe sie aus allen Tiefen wieder herausgeholt.

Kruzifix-Basar in der Schwabacher Kirche St. Peter und Paul

"Ein Kruzifix selbst hat keine wundersame oder sakramentale Wirkung", erklärt die Nürnberger evangelische Regionalbischöfin, Elisabeth Hann von Weyhern. Es sei aber ein Zeugnis für den Glauben und die Frömmigkeit der Person, für die dieses Kreuz einmal einen Wert hatte.

Auf halber Treppe hinauf im Hausgang des Lachmannschen Einfamilienhaus hängt ein zwei Meter hohes Kruzifix, das einmal in eine Kirche in der Umgebung gehörte. In einem leer geräumten Zimmer im ersten Stock lehnen sie dann an der Wand, hängen an Haken oder liegen übereinandergestapelt in Pappschachteln, verteilt auf dem graumelierten Teppichboden: Holzkreuze mit einem Jesus in Messing, mit einem hölzernen Korpus, Holzkreuze in schwarz und Gold gefasst, aus Eiche, Ahorn, Sperrholz - alle sind gespendet. Die Spender kommen persönlich vorbei, schicken Päckchen, manchmal ruft ein Beschäftigter des Recycling-Hofs bei Lachmann an, wenn er ein Kruzifix in einem Container findet.

Demnächst werden all diese Objekte in die Schwabacher Kirche St. Peter und Paul transportiert, wo Kreuz-Retterin Lachmann einen ihrer Basare veranstaltet. Wer die Kruzifixe kaufen will, sollte sie ordentlich behandeln, wünscht sich Lachmann.

Marianne Lachmann sammelte 250.000 Euro für gute Zwecke

Der Verkaufserlös kommt einem guten Zweck zugute, erzählt die 68-Jährige. Weil sie auch gespendeten Trödel auf Flohmärkten verkauft, hat sie im Laufe der 20 Jahre rund 250.000 Euro für viele Zwecke zusammenbekommen. Sie habe das Geld für die Asylarbeit, für Obdachlose, die Konfliktberatung oder für Klöster ausgegeben. Sie hat es auch für Projekte mit verwendet, um Kreuze in der Flur aufzustellen oder ein großes metallenes Kruzifix im Stadtpark zu restaurieren.

Jahrelang hat die Rentnerin Kreuze und Rosenkränze auch direkt an Gemeinden in Tansania geschickt. "Bis irgendwann mal die Meldung kam: es langt jetzt, wir haben genug", sagt sie.

Ein Kreuz in die Tonne werfen, ist unwürdig, sagt Marianne Lachmann. Aber Markus Rodenberg, Sammlungsreferent im Freilandmuseum Franken in Bad Windsheim, vermutet, dass in ungezählten Schuhkartons in bundesdeutschen Haushalten noch sehr viele ausgemusterte Kruzifixe liegen. Denn die Leute hätten Hemmungen, religiöse Objekte zu entsorgen oder wegzugeben. "Es gibt da eine gewisse Ehrfurcht", meint Rodenberg. Dem Museum würden wöchentlich 20 bis 30 Angebote aus Haushaltsauflösungen gemacht. Darunter seien Kruzifixe äußerst selten. Viel öfter könne das Museum Möbel oder Landmaschinen bekommen.

Kreuze und Bibeln beerdigen

Wer ein Kreuz nicht mehr aufhängen möchte oder es bei einer Haushaltsauflösung findet, könne es verbrennen, erklärt Kreuz-Expertin Lachmann. Die Nürnberger Regionalbischöfin Hann von Weyhern erklärt, es gebe auch die Tradition, nicht mehr benötigte Kreuze, Bibeln und andere Gegenstände "zu beerdigen, sprich: im Boden zu vergraben".

Was mit den Kruzifixen passiert, die sich noch in ihrem Haus befinden, wenn sie einmal gestorben ist, hat Marianne Lachmann längst festgelegt: "Die sollen meine Kinder zu den Patres nach Münsterschwarzach bringen. Dann sollen sich die kümmern".