Saher Elsheikh lernt gerade Worte, mit denen er noch vor einem Jahr nichts hätte anfangen können: "Orgelpfeife" zum Beispiel oder "Spieltisch". Die Geschichte des 30-jährigen IT-Spezialisten aus Ägypten ist eine besondere: Schon als 12-Jähriger baute er in Ägypten mit Begeisterung Lego-Modelle.

Nach Deutschland kam Saher Elsheikh vor fünf Jahren – er hatte als Softwareentwickler bei einem Autoteilezulieferer in Kairo gearbeitet und wechselte dann in dessen Stuttgarter Zweig – und in Stuttgart gab es einen Lego-Stammtisch. Als Saher Elsheikh aus beruflichen Gründen im vergangenen Jahr nach Ulm zog, schloss er sich gleich den dortigen "Klötzlebauern" an – und ist nun Teil eines großen Projekts.

Es kribbelt in den Fingern

Wenn es um die kunstgeschichtlich interessanten kirchlichen Gebäude im Ulmer Stadtteil Wiblingen geht, kribbelt es beim Polizei-Verwaltungsfachmann Burkhardt Siemoneit in den Fingern: Das gesamte Kloster Wiblingen einschließlich Open-Air-Bühne im Klostergarten haben Siemoneit und sein Neu-Ulmer Freund Stephan Schumann schon in Lego nachgebaut; am Anfang von Siemoneits riesigen Lego-Modellen stand ein Nachbau der evangelischen Kirche in Wiblingen, geplant vom Architekten Olaf Gulbransson.

Seit einiger Zeit tut sich in Wiblingen Spannendes: Nachdem die bekannte Basilika von Kloster Wiblingen, Ausgangspunkt der Schwäbischen Barockstraße, im kommenden Jahr erstmals in ihrer Geschichte eine Hauptorgel erhält und ihre berühmte Akustik dann auch für große Konzerte an diesem Instrument genutzt werden kann, beschlossen Siemoneit und Schumann, diese (gerade beim Schwarzwälder Orgelbaumeister Claudius Winterhalter entstehende) Orgel – auch zur Anwerbung von Spendern – vorab schon einmal in Lego zu bauen.

In diesem Moment stieß Saher Elsheikh zu den beiden Legobaumeistern. Und der 30-Jährige erzählt davon, wie aufgeregt er war, als ihm Burkhardt Siemoneit von der Idee erzählte und ihn fragte, ob er mitplanen und mithelfen will, das 1,80 Meter breite, 1,20 Meter hohe und etwa 90 Zentimeter tiefe Modell der künftigen Orgel (samt Stuck-Empore und Hintergrund mit Fenstern) in Lego nachzubauen.

Burkhardt Siemoneit
Burkhardt Siemoneit, in dessen Keller das Modell entsteht, hilft den beiden.

Siemoneit zeigte Elsheikh die Basilika und die Fotomontage der Orgel – und sofort wurde aus dem Duo der Legobauer ein Trio: Allsonntäglich treffen sich Burkhardt Siemoneit, Stephan Schumann und Saher Elsheikh – ein Protestant, ein Katholik und ein Muslim – seit Januar im Keller des Siemoneit’schen Hauses, wo bis zum Spätsommer das dreimodulige Modell der Orgel entstehen wird.

Ein großer Teil der Emporenbrüstung mit ihren goldfarbenen Zierelementen ist bereits fertig; goldfarbene Legosteine, die ziemlich teuer sind, bestellt Saher Elsheikh in den USA. Für die Orgelpfeifen haben die drei Freunde bereits Modelle gebaut. Weil die Orgel so detailliert wie irgend möglich wirken soll, lassen sie sich vom stellvertretenden Vorsitzenden des Wiblinger Orgelfördervereins, Franz Barth, beraten. Er erklärt ihnen unter anderem die Position der verschiedenen Orgelpfeifen, von denen die neue Orgel mehr als 2500 haben wird.

Ab Herbst soll das Modell derOrgel in der Basilika stehen, damit Besucher schon vorab einen Eindruck von der Schönheit des 1,3 Millionen teuren Instruments (für dessen Finanzierung noch eine gute halbe Million fehlt) haben können. Siemoneit, Schumann und Elsheikh haben den Traum, ihre Lego-Orgel so zu programmieren, dass aus ihr auch Töne kommen können. Die werden natürlich bescheidener ausfallen als die klanglichen Finessen, die Claudius Winterhalter seinem Instrument für die Orgelempore einbaut. Dieses soll dann zu Pfingsten 2021 eingeweiht werden.