Ich war als Kind schon hier, jetzt komme ich mit meinen Kindern wieder", sagt Karin Rau. Ihre Augen wandern über die Bücherrü­cken im Regal. Noch kann sich die Mutter von drei Kindern nicht entscheiden, welche Bü­cher sie ausleihen will. Ihr Sohn Felix ist da schon weiter. Der 10-Jährige kommt mit einem Stapel Büchern in der Hand angelaufen: "Die drei ??? – Angriff der Computerviren" und "Der König von Narnia".

Die ökumenische Bücherei in der evangeli­schen Vaterunserkirche in Oberföhring ist ein beliebter Ort im Viertel. Und das seit genau 50 Jahren. Am 29. Januar 1967 öffnete die Büche­rei das erste Mal ihre Türen. Oberföhring mit seinen Wohnblocks war da ein Stadtteil, der gerade erst im Entstehen war. "Eine Bücherei war eine Super-Gelegenheit, sich zu treffen und Kultur zu erfahren", sagt die Leiterin der Bücherei, Doris Meister. In der Chronik der Vaterunserkirche heißt es: "Die ›Großsiedlung Oberföhring‹ war ja kulturell eine ziemliche Ödnis. So gab es weit und breit keine Mög­lichkeit, ein Buch zu kaufen oder zu entleihen oder auch nur zu schmökern."

Bestand die Bücherei am Anfang aus zwei Schränken mit 250 Büchern, ist sie inzwischen auf knapp 9.000 Medien angewachsen: darun­ter Romane, Biografien, Reiseführer, aber auch Ratgeber oder Hörbücher. Einen großen Teil der Bücher machen die Kinder- und Jugendli­teratur sowie die Bilderbücher aus. Träger der Bücherei ist die evangelische Kirchengemein­de. Seit 35 Jahren arbeitet sie aber eng mit der katholischen Nachbargemeinde zusammen. Die Leitung der Bücherei ist ökumenisch.

Doris Meister und ihre Mitstreiterinnen legen großen Wert darauf, dass die Bücherei auf aktuellem Stand ist. "Veraltet und verzopft geht nicht", sagt die 59-Jährige, die zusam­men mit Hannelore Neugebauer die Bücherei leitet. Allein letztes Jahr hat die Bücherei rund 600 neue Bücher ins Angebot aufgenommen.

Ein Buch mitnehmen darf nur, wer eins zurückbringt

Kindergartenkinder und Grundschüler sind eine wichtige Zielgruppe. Regelmäßig kom­men an den Vormittagen Schulklassen in die Bücherei in der Kirche. Einmal im Monat pa­cken die Mitarbeiterinnen Bilderbücher in Kisten und fahren in die umliegenden Kin­dergärten. Mit dabei ist Christine Hartig. Die 72-Jährige bringt eine Handpuppe mit – Leo, der Leselöwe –, er liest den Kindern vor. "Je­des Kind darf ein Buch mit nach Hause neh­men", erzählt Hartig. Voraussetzung: Das Kind bringt auch ein Buch aus der Bücherei wieder zurück. Medienpädagogik von Klein auf.

Zweimal in der Woche ist die Bücherei am Nachmittag geöffnet. Das geht, weil es vie­le Ehrenamtliche gibt, die sich in der Büche­rei engagieren. Insgesamt zählt das Büche­rei-Team rund 20 Frauen im Alter zwischen 50 und 82 Jahren, die regelmäßig mitarbeiten. Sie sortieren Bücher in die Regale, kümmern sich um den Bestand, schreiben Einsatzpläne für die Ehrenamtlichen. Einmal im Jahr gibt es eine große Bücher-Putzaktion. Dann werden alle Schutzumschläge abgewaschen. Denn ge­rade die Bilderbücher, die durch viele Kinder­hände gegangen sind, brauchen Pflege.

Chris­tine Hartig ist seit 40 Jahren ehrenamtlich in der Bücherei aktiv. Sie hat sogar eine Weiter­bildung als Büchereiassistentin im kirchlichen Dienst absolviert. Das ist eine Qualifikation, die das Evangelische Literaturportal Eliport anbietet. "Bücher habe ich schon immer ge­liebt", sagt Christine Hartig über ihre Motiva­tion. Wichtig ist ihr aber auch der Kontakt zu Menschen.

Bis heute ist die Bücherei ein wichtiges Kul­turzentrum im Stadtteil. Immer wieder finden in den Räumen Veranstaltungen statt. Ein Kri­mi-Dinner gab es schon, erinnert sich Doris Meister. Aber auch einen Italienischen Abend oder einen Klavierabend mit Gesang. Höhe­punkt in jedem Jahr ist das Büchereifest mit Kindertheater, Bücherflohmarkt und Kaffee und Kuchen.

Inzwischen haben Karin Rau und ihre Kin­der gefunden, was sie als Lektüre mit nach Hause nehmen wollen. Sie tragen einen gan­zen Stapel Bücher zur Ausleihe. Christine Har­tig sitzt nun vor dem Laptop und scannt Buch für Buch. "Sie werden in ganz Oberföhring kein Kind finden, das noch nicht bei uns war", sagt Christine Hartig.