Uganda hat rund 35 Millionen Einwohner, noch nicht einmal halb so viele wie Deutschland. Und es ist bettelarm: Die Wirtschaftsleistung pro Kopf beträgt kaum mehr als 600 US-Dollar, ein Siebzigstel der deutschen. Dennoch hat der afrikanische Binnenstaat 1,4 Millionen Flüchtlinge aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Südsudan aufgenommen, und täglich werden es mehr. Uganda stemmt die Last mit gehöriger internationaler Unterstützung. Dennoch ist das eine höchst respektable Leistung.

Natürlich sind nicht alle Ugander davon begeistert. Auch unter ihnen gibt es diffuse Ängste und Eifersüchteleien. Doch arme Afrikaner machen den reichen Europäern vor, wie man der Not der anderen mit Anstand begegnet, ein "Flüchtlingssproblem" intelligent löst.

Deutschland muss sich in dieser Frage nicht verstecken, schaut man nach Polen oder Ungarn. Doch Angst und Ablehnung haben auch bei uns zugenommen, eine neue rechte Partei fährt in ihrem Kielwasser Wahlerfolge ein. Doch nicht jeder, der sich von jungen Männern aus einer fremden Kultur bedroht fühlt, ist automatisch ein Rassist. Solche Sorgen hat die Bundesregierung zunächst heruntergespielt, später ist sie ihnen im Verbund der Europäischen Union mit einer Politik der Abschottung begegnet. Der "Strom" der Flüchtlinge ist nicht deshalb versiegt, weil niemand mehr flieht, sondern weil der Weg versperrt ist.

Die Frage nach dem rechten Umgang mit Flüchtlingen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Gespräche über die Bildung einer Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen scheiterten. Dort schienen die Standpunkte auch am weitesten auseinander.

Am Ende befand die FDP die Interessen für unvereinbar und ließ die Gespräche platzen. Die Geschwindigkeit, mit der sie anschließend mit wohlfeilen Erklärungen in sozialen Medien aufwartete, nährt den Verdacht, dass ihr Abzug kalkuliert und inszeniert war. Doch scheint der Plan der FDP zu misslingen, sich damit als prinzipienfeste Partei zu profilieren und ihren in Jahrzehnten redlich erworbenen Ruf loszuwerden, nur auf Posten und Ämter aus zu sein. In der öffentlichen Wahrnehmung haben die Liberalen ein aussichtsreiches Projekt ohne erkennbaren Grund scheitern lassen.

Nun ist die SPD in der Pflicht. Soll man es als Umfallen oder als Übernahme staatspolitischer Verantwortung werten, wenn sie sich auf eine Fortsetzung der Großen Koalition einlässt? Wahrscheinlich ist es wohl beides. Ihren Vorsitzenden Martin Schulz holen jedenfalls seine vorschnellen Beteuerungen ein, die Sozialdemokraten gingen nach der Wahlklatsche in die Opposition. Womöglich muss die Partei erst ihren Chef opfern, ehe sie Kanzlerin Angela Merkel retten kann. Es ist aber auch nur schwer vorstellbar, dass andernfalls ausgerechnet der glücklose Schulz die SPD als Kanzlerkandidat in Neuwahlen führen soll.

Bei einer Neuauflage der GroKo dürfte die SPD von der Bürgerversicherung bis zur Besteuerung kleiner Einkommen vieles durchsetzen können. Der Lackmustest des Anstands besteht jedoch in der Flüchtlingsfrage. Vorbild Ungarn oder Uganda? Da ist die SPD von der CSU ähnlich weit entfernt wie die Grünen. Schaffen sie, woran Jamaika scheiterte?

 

Wolfgang Weissgerber ist Chefredakteur der Evangelischen Sonntags-Zeitung in Frankfurt. Was denken Sie? Schreiben Sie an sonntagsblatt@epv.de