Nuredin aus Algerien hat eine Ausbildung als Großhandelskaufmann und als Gastronomiefachmann. Carolina war in ihrer Heimat Brasilien Geschäftsfrau und viel auf Reisen. Und die 54-jährige Svetlana hat als studierte Theaterwissenschaftlerin Laientheatergruppen geleitet, als sie noch in der Ukraine lebte.

Sie sind nur drei von über 20 Männern und Frauen, die seit Herbst in Fürth 36 Stunden pro Woche die Schulbank drücken. An der Fachschule für Grundschulkindbetreuung lassen sie sich zu Grundschulbetreuern ausbilden.

Die Ausbildung zu Grundschulbetreuern 

Die neue Ausbildung, die derzeit an neun bayerischen Einrichtungen im Schulversuch ist, kann auch in Fürth erworben werden - an der Fachakademie für Sozialpädagogik von Diakoneo, der früheren Diakonie Neuendettelsau.

Irene Reiser ist dort Schulleiterin. Sie ist nicht verwundert, dass sich in der neuen Klasse eine Krankenschwester neben einem Immobilienkaufmann sitzt, die Köchin und die Kulturredakteurin.

Die Qualifikationen für den Zugang zur Schule mussten nicht im pädagogischen Bereich liegen, erklärt sie. So kamen Leute mit "anderen Lebenserfahrungen und Biografien" zum Zug.

"Eine neue Zielgruppe für den pädagogischen Beruf zu gewinnen, war auch die Zielrichtung von Kultusministerium und Sozialministerium", erläutert sie.

"Da spürt man, dass das Menschen sind, die sich der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind und wissen, auf dieses eine Jahr kommt es an und das muss gut werden", stellt Reiser fest, die in der Klasse das Fach "Lernen lernen" unterrichtet.

Inhalte und Ablauf der Ausbildung 

Eines von 16 Fächern im vollgepackten Lehrplan, der in einem Jahr in die Köpfe muss. Zum Abschluss werden die zukünftigen pädagogischen Fachkräfte in der Prüfung zeigen, was sie im Fach "Pädagogik - Psychologie - Heilpädagogik" wissen.

Im zweiten Ausbildungsjahr sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Praktikanten in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Ganztagsschulen oder in Horten eingesetzt und verdienen erstes Geld.

Nach der Ausbildung erhalten sie das gleiche Gehalt wie Erzieher mit längerer Ausbildung, sind jedoch nur in der Betreuung von Kindern im Grundschulalter einsetzbar. "Aber sie sind dafür voll ausgebildet und umfassend kompetent", sagt Schulleiterin Reiser.

Großer Bedarf an sozialpädagogischen Fachkräften

Die Kommunen und Träger warten schon sehnsüchtig auf die Absolventen: Schließlich gibt es zu wenige pädagogische Fachkräfte und ab 2025 sollen Eltern einen Rechtsanspruch auf die Mittagsbetreuung ihrer Kinder in den Grundschulen haben.

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge geht in einer Prognose derzeit von einem Bedarf von bundesweit 110.000 zusätzlichen sozialpädagogischen Fachkräften, Erzieherinnen oder Lehrkräften aus.

"Dass der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich den Fachkräftemangel auch in Bayern weiter verschärfen wird, liegt auf der Hand", erklärt eine Sprecherin des bayerischen Sozialministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage.

Bayern habe derzeit eine Betreuungsquote von rund 56 Prozent. Wenn der Rechtsanspruch da sei, werde man Personal für eine Betreuungsquote von 80 Prozent benötigen.

Schüler an der Fachschule für Grundschulkindbetreuung

Eine dieser neuen benötigten Betreuerinnen könnte die 20-jährige Michaela werden, die nach dem Abitur nicht die viel längere komplette Erzieherinnen-Ausbildung machen wollte.

Oder Irina (38), die in Russland ein Studium als Kunsterzieherin gemacht hat. Ihr Diplom ist aber in Deutschland nicht anerkannt worden. Ein zweites Studium in Nürnberg hat sie wegen der Geburt ihres Kindes nicht abgeschlossen. Nun möchte sie eine anerkannte Ausbildung machen, sagt sie. Seit 2013 gibt sie schon Malkurse für Kinder.

Auch Pinar, die promovierte Sportwissenschaftlerin aus der Türkei, konnte mit ihrem Abschluss in Deutschland nichts anfangen. Jetzt ist sie 40 Jahre alt, ihre Kinder sind beide in der Schule und sie möchte eine Ausbildung machen, nach der sie mit Kindern arbeiten kann.

"Die sind immer aktiv - und ich war und bin auch immer aktiv", freut sie sich auf eine neue Aufgabe.

"Kinder nehmen alles auf, du musst nicht viel sagen", es sei ihr Traum, Kindern künstlerisch etwas beizubringen, erzählt Svetlana, die schon einige Jahre als Mittagsbetreuerin arbeitet.

"Aber du fühlst dich minderwertig, wenn du überall nur Aushilfsjobs für neun Euro in der Stunde bekommst", sagt sie. "Für mich wird die Ausbildung die Bestätigung, dass ich was kann und dass ich jemand bin in Deutschland."