Über Geschmack lässt sich trefflich streiten - und wenn es um Eintopf geht allemal. Ein Eintopf heißt Eintopf, weil alles in einem Topf zubereitet wird. Das schlechte Image hat das klassische Gericht wahrscheinlich aus zwei Gründen.

Zum einen passiert es, dass alle Zutaten so verkocht sind, dass man schon fast von einem Breitopf sprechen kann. Zum anderen wird der wöchentliche Eintopf gern dazu genutzt, die Reste der Vortage rücksichtslos zu einer Mahlzeit zu verarbeiten.

Zwei-Sterne-Restaurant verteilt Eintopf zum Mitnehmen

Dass es auch anders geht, zeigt der langjährige Nürnberger Gourmet-Koch Andree Köthe in seinem Zwei-Sterne-Restaurant Essigbrätlein. Gemeinsam mit der Bürgerstiftung Nürnberg gibt es bei ihm in diesen Pandemie-Zeiten Eintopf zum Mitnehmen.

Das Projekt findet seit Mitte Mai unter der Überschrift "Kunst-Essen" statt. Werktäglich können bis zu 50 Portionen kostenlos durchs Fenster nach außen gereicht werden. Kunst- und Kulturschaffende müssen sich zuvor bei der Bürgerstiftung melden, damit die benötigten Mengen zubereitet werden.

Eintopf zum Mitnehmen.

"Kunst-Essen"

Tatsächlich ist beispielsweise der Weiße Bohnen-Eintopf von Köthe, den er selbst als "fein, weiß und elegant" bezeichnet, auf den Punkt zubereitet. Weiße Bohnen und Karotten werden in Zwiebel, Lauch, Sellerie und Knoblauch angedünstet und mit Majoran und Petersilie verfeinert. Das geschmorte Gemüse ist bissfest und sorgt für eine interessante Umami-Geschmacksnote, der fünfte Geschmack neben süß, sauer, salzig und bitter.

Der Sternekoch will seine Eintöpfe so kochen, dass man "sich auf den Kopf stellt, um bei der Bürgerstiftungs-Aktion dabei zu sein", sagt er. Dass das Essigbrätlein mit der Aktion regionale Künstler unterstützt, liegt dem Koch auch persönlich am Herzen.

Die Corona-Hilfspakete aus Berlin und München könnten nicht alle Branchen retten. Künstler und Kulturschaffende würden weitgehend durch das Hilfsnetz rutschen. Außerdem ist Köthe beim Mitmachen zum Selbstkostenpreis auch wichtig: "Spitzengastronomie bedeutet nicht, dass wir arrogant sind."

Auf der Seite der Nürnberger Bürgerstiftung hat der Vereinschef Theophil Graband die Aktion initiiert.

"Kunst ist für uns systemrelevanter als Fußball", erklärt er.

Wenn die ganzen Solo-Künstler, Stadtführer oder Musiker ohne Bühne schon keinen Applaus - und kaum Geld - bekämen, soll ihre Bedeutung wenigstens auf diesem Weg anerkannt und ins Bewusstsein gerückt werden, meint er.

Das sei in Corona-Zeiten ganz wichtig. Köthe ist nach Grabands Ansicht ein "künstlerischer Koch mit Essenskunst". In normalen Zeiten muss man in der kleinen aber feinen Gewürzküche des Essigbrätleins mittags knapp 90 Euro für ein Vier-Gang-Menü bezahlen, abends sind es über 130 Euro.

Aktionen in Nürnberg

Die Nähe einer der ältesten Bürgerstiftungen Deutschlands unter anderem zur lokalen Kultur ist eigentlich Programm. In normalen Zeiten engagiert sich der Verein beispielsweise mit öffentlichen Bücherschränken, Musikbegleitung im Hospiz oder Musik im Altenheim.

Diese Aktivitäten liegen im Schatten von Covid-19 brach, ebenso die Aktion Kulturticket, bei der es beispielsweise für Schauspiel, Oper oder Philharmonie "zwei kostenlose Karten zur kulturellen Teilhabe" gibt.

Graband ist bislang mit der Aktion Kunst-Essen zufrieden, er bescheinigt eine "positive Resonanz" der örtlichen Kulturszene. Während Köthe und sein Team zum "Selbstkostenpreis" am Herd stehen, übernimmt die Bürgerstiftung etwa die kompostierbare Verpackung für den Eintopf.

Wie lang die Aktion noch weiterlaufen kann, ist aktuell unklar. Denn nachdem die Gastronomie mit speziellen Schutzmaßnahmen wieder öffnen darf, muss auch das Essigbrätlein die umsatzlosen Wochen wieder reinholen.