Der Widerstand gegen die Diktatur der Nationalsozialisten hatte viele Gesichter und unterschiedliche Hintergründe, auch in den Kirchen. Es gab die politischen Vordenker, die Modelle für einen Wiederaufbau nach dem ersehnten Kriegsende entwickelten, Gleichgesinnte um sich sammelten und den Kontakt zu den Alliierten suchten.

Und es gab die Konservativen, die sich wenig Gedanken über die gesellschaftlichen Ursachen des Faschismus machten, aber leidenschaftlich für den alleinigen Herrschaftsanspruch Gottes kämpften, der die Menschen als Geschwister geschaffen hatte. Die Nazis machten wenig Unterschiede unter ihren Gegnern und schickten sie alle in den Tod.

Jesuit Delp versteckte verfolgte Juden

Der katholische Jesuit Alfred Delp ermunterte beispielsweise Frauen und Schüler dazu, die entfernten Kreuze in Münchner Schulzimmern wieder aufzuhängen. Aber er protestierte nicht nur, wenn der eigene Besitzstand bedroht war, die Rechte der Kirche, die katholische Lehre; er unterstützte und versteckte auch verfolgte Juden.

Delp: "Was helfen uns alle Einsätze um christliche oder kirchliche Eigentümlichkeiten, wenn vor unsern Augen der Mensch entwürdigt wird?" Im "Kreisauer Kreis" entwarf er zusammen mit Gewerkschaftern, Sozialdemokraten, Juristen und anderen die Konturen einer gerechteren Gesellschaft, in der die staatliche Macht wieder unter Kontrolle sein würde.

Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer versuchte unterdessen Studenten zu überzeugen, dass jeder Krieg zu ächten sei, protestierte zwei Tage nach der Machtübernahme im Rundfunk gegen ein "sich selbst vergottendes" Führeramt und schlug seinen Pastorenkollegen einen Beerdigungsstreik vor, als jüdischstämmige Pfarrer ihres Amtes enthoben wurden.

Rupert Mayer blieb immer der patriotische Frontseelsorger

Unter bestimmten Voraussetzungen, so schrieb er bereits 1933, könne es für die Kirche notwendig werden, "nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen". Deshalb schloss er sich den politischen Verschwörern an und schleuste vom Tod bedrohte Juden über die Reichsgrenze.

Der kantige Münchner Männerseelsorger und populäre Kanzelredner Rupert Mayer, auch er ein Jesuit, war eine ganz andere Figur. Er ließ sich von keinem braunen Parteibonzen den Mund verbieten - aber er hinterfragte auch nie die Bedingungen, die den Nazis ihren steilen Aufstieg ermöglicht hatten: die Sehnsucht nach dem starken Staat, die auch im katholischen Lager verbreitete Republikfeindlichkeit, die Kollaboration mancher religiöser Führer mit den Nazis.

Eine solche gesellschaftspolitische Gewissenserforschung lag ihm ebenso fern wie die Modelle eines neuen Deutschland, an denen Bonhoeffer und Delp zimmerten. Er blieb immer der patriotische Frontseelsorger.

Mayer in einer Predigt: "Ein deutscher Katholik kann niemals Nationalsozialist sein"

Eine problematische Gestalt, aber auch eine zutiefst faszinierende: Schon Anfang der 1920er Jahre, als die meisten noch nicht wussten, wer dieser "Herr Hitler" ist, ging der Jesuit auf Konfrontationskurs. Mit dem "Völkischen Beobachter" in der Hand stieg er auf die Kanzel und sagte, "dass ein deutscher Katholik niemals Nationalsozialist sein kann".

Mayer kam 1876 in Stuttgart zur Welt und verteidigte als Schüler seinen Katholizismus in der Diaspora auch mal handfest. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg leistete Pater Mayer eine geradezu moderne Wohnviertelarbeit: Jeden Abend absolvierte er ein halbes Dutzend Hausbesuche bei den zahllosen Neuzugezogenen.

Als einbeiniger Kriegsinvalide nach München zurückgekehrt, baute er eine erfinderische Sozialarbeit mit Brotgutscheinen, Kohlenlieferungen und Jobvermittlung auf. Mayers freimütige Predigten schlugen sich bei der Polizeidirektion in einer dicken Akte nieder. Schließlich erteilte ihm die Berliner Gestapo-Zentrale im April 1937 ein Redeverbot fürs ganze Deutsche Reich - das ignorierte er jedoch. Auch als man ihn mehrfach verhaftete und vor Gericht stellte, ließ er sich nicht einschüchtern. "Der Herrgott hat das erste Anrecht auf uns", erklärte er seinen Richtern.

Wenn der Staat etwas von ihm verlange, was gegen Gottes Gebot sei, "dann ist es aus und vorbei mit der Autorität des Staates"!

Im KZ Sachsenhausen litt Rupert Mayer furchtbare Schmerzen an seinem Beinstumpf, magerte lebensbedrohlich ab - auf 50 Kilo. Die Gestapo, die keinen so prominenten Märtyrer brauchen konnte, traf mit der Münchner Kirchenleitung eine denkwürdige Vereinbarung: Der Priester kam frei, musste sich aber ins abgelegene Benediktinerkloster Ettal zurückziehen und durfte nicht mal in der Mönchsgemeinschaft die Messe feiern oder Beichte hören.

"Seitdem bin ich lebend ein Toter", grämte sich der Gerettete. Fünf Jahre verbrachte er dort im Exil, um bei Kriegsende müde und gebrochen in das zerbombte München zurückzukehren. Dort war er aber immer noch gefragt.

Wieder belagerten verzweifelte Menschen sein Sprechzimmer, wieder organisierte der Pater Wohnungen und Lebensmittel, predigte bis zur Erschöpfung. Mitten in so einer am 1. November 1945 erlitt er einen Gehirnschlag. Ohne ein Wort sagen zu können, blieb er minutenlang aufrecht am Altar stehen, gehalten von seiner Oberschenkelprothese, bis ihn Mitbrüder aus der Kirche trugen.

Als sich die Todesnachricht verbreitete, raunten sich die Münchner zu: "Unser Pater Mayer ist niemals umgefallen - nicht einmal im Sterben!" Am 3. Mai 1987 hat ihn Papst Johannes Paul II. im Münchner Olympiastadion seliggesprochen. Mayers Grab in der Fußgängerzone ist nie ohne Beter oder Blumen.