"Es werden deutlich mehr Kinder eine Behandlung brauchen, die sie nicht gebraucht hätten, wenn es die Krise nicht gegeben hätte", sagte Schulte-Körne dem Sonntagsblatt.

Ohnehin ängstliche oder risikobehaftete Kinder würden durch die Krisenerfahrung psychisch so stark zusätzlich belastet, dass die für sie erträgliche Grenze überschritten werde.

Die Mädchen und Jungen befänden sich auch nach der Bewältigung der Corona-Krise und der Aufhebung der Maßnahmen in einem Angst-Zustand, erklärte der Münchner Klinikdirektor: "Selbst wenn der Auslöser nicht mehr da ist, haben die Kinder Angst vor der Angst."

Das zeige sich bei jüngeren Kindern daran, dass sie etwa häufiger ohne Anlass weinten und unruhig schliefen. Jugendliche zögen sich stark aus dem Familienleben zurück, redeten kaum oder wirkten depressiv.

Corona-Krise: Regelmäßig mit den Kindern über die Pandemie sprechen

Kinder, die grundsätzlich keine psychischen Risiken bergen und sich unauffällig verhalten, brauchen laut dem Experten auch nach der Corona-Krise keine zusätzliche psychische Betreuung. Sie seien allein dazu imstande, eine Krisenerfahrung zu verarbeiten.

"Natürlich ist entscheidend, wie lange die Phase dauert!", fügte der Kinder- und Jugendpsychiater hinzu. Je länger die Ausnahmesituation anhalte, desto eher entstünden Risiken für eine psychische Erkrankung.

Schulte-Körne rät Eltern, mit ihren Kindern regelmäßig über die Corona-Pandemie zu sprechen: "Je besser die Kinder und Jugendlichen das Risiko einschätzen können, desto leichter können sie damit umgehen."

Dabei sollten die Eltern ihre Kinder vor allem lösungsorientiert über Änderungen informieren, die den Alltag und das Familienleben betreffen. Eigene Ängste um den Arbeitsplatz, finanzielle Nöte oder Sorgen um erkrankte Angehörige sollten die Eltern untereinander oder mit Freunden besprechen, nicht aber offen mit den Kindern, mahnte Schulte-Körne: "Die Last überträgt sich auf die Kinder".