Frau le Coutre, gibt es einen Kardinalfehler beim Familienurlaub?

Christine le Coutre: Ein klassischer Fehler sind zu hohe Erwartungen, die vorher nicht kommuniziert wurden. Man muss akzeptieren, dass sich alle Familienmitglieder auf unterschiedliche Weise erholen, Kleine wie Große. Und je kleiner die Kinder sind, desto größer ist für sie der Stress beim Reisen.

Was kann man schon vor Beginn der Reise für einen schönen Urlaub tun?

Christine le Coutre: Man kann besprechen, welche Vorstellungen jeder vom Urlaub hat. Der eine erholt sich beim Wandern, der andere will ganz viel schlafen. Also sind vor dem Aktiv-Urlaub vielleicht drei Tage zum Relaxen nötig. Und man sollte die Kinder in die Planung miteinbinden. Wohin fahren wir und was machen wir da?

Wichtig: die Kinder werden beteiligt, aber die Eltern treffen die Entscheidung.

Man kann nicht das Kind dafür verantwortlich machen, wenn es im Urlaub nicht so läuft, wie man sich das vorgestellt hat.

Wie vermeide ich den großen Packstreit kurz vor Abreise?

Christine le Coutre: Rechtzeitig anfangen. Mit den Kindern besprechen, was ihnen wirklich wichtig ist. Klar machen, wie viel Platz sie für ihre Sachen haben. Wenn das Kuscheleinhorn die ganze Rückbank blockiert, kann es nicht mit. Aber die Eltern sollten sich einfühlen, warum ein Ding für das Kind gerade so wichtig ist. Findet man eine Alternative dafür? Am Ende müssen Eltern manchmal auch den Frust der Kinder aushalten. Und Kinder können daran wachsen.

30 Kilometer Stau, die Sonne knallt aufs Dach, und im Auto knallt´s auch: Was ist die beste Strategie, wenn auf der Reise die Nerven blank liegen?

Christine le Coutre: Da hilft es schon, wenn sich die Erwachsenen nicht aufregen, sondern die Zeit mit den Kinder so gut es geht gestalten: Lieder singen, ein Spiel spielen, gemeinsam ein Hörbuch hören, etwas essen und trinken – Verpflegung muss genug dabei sein!

Die Kinder nur Filme schauen lassen ist oft kontraproduktiv: Vor dem Bildschirm ist jeder allein, das steigert den Frust.

Lieber in Kontakt bleiben! Und dann den nächsten Rastplatz anfahren und die Kinder auf den Spielplatz schicken.

Gibt es eine typische Falle für Eltern mit Kleinkindern?

Christine le Coutre: Wir denken immer, dass Urlaub für Kinder toll ist. Für kleine Kinder stimmt das aber so nicht. Sie müssen plötzlich in einem anderen Bett schlafen, an einem anderen Tisch essen, und dann sind im Hotel auch noch überall fremde Leute um sie herum. Das verunsichert Kinder, und so kommt es zu den berühmten Trotzanfällen. Also sollten die Eltern darauf Rücksicht nehmen: Kommt für sie ein Babyhotel in Frage, wo alles auf die Bedürfnisse von Familien mit Kleinkindern zugeschnitten ist? Oder eine Ferienwohnung, wo sich dann gewisse Routinen einstellen? Oder ein Wohnwagen als rollendes Zuhause, mit dem man durch die Gegend tingelt? Und sie sollten vorher für sich klären, welche Regeln auch im Urlaub gelten müssen - und wo es Ausnahmen gibt.

Gibt es eine typische Falle für Eltern mit Teenagern?

Christine le Coutre: Ja, wenn der Urlaub an ihren Bedürfnissen vorbeigeplant wird. Jugendliche kann man in höherem Maße involvieren, ihnen auch Aufgaben übertragen und zum Beispiel eine Stadtbesichtigung vorbereiten lassen. Auch Eltern müssen Kompromisse machen und mal einen Freizeitpark einplanen, auf den sie eigentlich keine Lust haben. Außerdem haben Jugendliche ein größeres Bedürfnis nach Autonomie. Wieviel Familienzeit soll es also geben, und wo sind die Möglichkeiten für sie, Zeit allein zu verbringen?

Thema Handynutzung: Längst haben nicht mehr nur die Jugendlichen ein Problem mit ausgeprägter Mediennutzung. Es kommt auf die Vorbildfunktion der Eltern an: Sind Handy oder Laptop immer an, oder gibt es eine medienfreie Zeit?

Christine Le Coutre Ehe-, Familien- und Lebensberatung

Chillen ohne Ende: Was hilft gegen das Versacken im Urlaub?

Christine le Coutre: Man kann es in positiver Weise ansprechen: Ich möchte gern mit dir Zeit verbringen, worauf hast du Lust? Auch hier ist Beteiligung wichtig. Wer morgens den Plan für den Tag diktiert, braucht sich über Lustlosigkeit nicht wundern. Als unsere Kinder größer waren, hatten wir ausgehandelt: Ein Museum pro Besichtigungstag, mehr nicht! Und Eis essen ist auch wichtig.

Und wenn es dann doch mal knallt: Was hilft gegen dicken Luft im Urlaub?

Christine le Coutre: Eine ordentliche Streitkultur. Es darf ruhig mal knallen, wenn es danach auch wieder eine Versöhnung gibt. Probleme und Unzufriedenheiten anzusprechen ist sinnvoll, wenn man auch bereit ist, Lösungen zu finden. Nur weil es mal Streit gibt, ist nicht gleich der ganze Urlaub Mist.

Der Urlaub ist zu Ende und der Alltag kehrt zurück: Wie rettet man ein bisschen Urlaubsgefühl in den Alltag?

Christine le Coutre: Indem man über die Urlaubserlebnisse spricht, die Bilder gemeinsam sortiert, ein Fotobuch erstellt oder Fotos ausdruckt und aufhängt. Wir haben immer eine Zeitlang die Muscheln aus dem Urlaub als Tischdeko verwendet. Das ist dann beim Essen so ein kleiner Anker: Ach ja, da war doch was.

Wie schafft man in der Familie eine Wertschätzung für den gemeinsamen Urlaub?

Christine le Coutre: Indem man es sagt, dass ein gemeinsamer Urlaub etwas Besonderes ist, und indem man sich im Urlaub Zeit füreinander nimmt. Ich glaube, die Wertschätzung der Kinder kommt automatisch, wenn man sie beteiligt und nicht über ihren Kopf eigene Pläne durchsetzt, für die man dann Dankbarkeit erwartet.

Wenn ich möchte, dass es meinen Kindern gut geht mit mir, muss ich sie einbinden.

Viele denken, Urlaub zu machen ist ein Selbstläufer. Aber das stimmt nicht: Man muss ständig Entscheidungen treffen, Kompromisse aushandeln, sich in den anderen einfühlen und flexibel bleiben. Für einen Urlaub, in dem es allen gut geht, braucht man vielleicht zwei Dinge am meisten: Flexibilität und Humor.