Lisa Welzhofer, das "Kibbuzkind",  ist 1978 in Günzburg geboren und mit Mutter und Großmutter aufgewachsen. Mit 29 Jahren macht sie sich auf die Suche nach ihrem israelischen Vater und schreibt die Geschichte auf.

Sehr authentisch schildert Lisa Welzhofer das Leben ihrer Mutter in den 1970iger Jahren. Hippiekultur und 68er Bewegung auf der einen Seite, Spießigkeit und schwäbischer Mittelstand auf der anderen. Die Mutter fühlte sich wie in "einer Spießerhölle, die sie so schnell wie möglich verlassen wollte." Nach einem längeren Aufenthalt in Griechenland landete Barbara Welzhofer zusammen mit einer Freundin in einen Kibbuz am See Genezareth als "Volunteer", als freiwillige Arbeiterin in der sozialistisch geprägten landwirtschaftlichen Siedlung. Ob ihre Mutter auch wegen der deutschen Geschichte nach Israel gegangen ist, um eine Art Wiedergutmachung zu leisten, hätte Lisa schon interessiert. Aber leider hat sie es nie erfahren oder herausgefunden. Die Mutter war bereits gestorben als Lisa anfing, sich mit der Kibbuz-Geschichte näher zu beschäftigen.

Ihre Informationen hat die Autorin aus dem Tagebuch ihrer Mutter, von einer Freundin, die damals mit dabei war und von dem Facebook-Account ehemaliger deutscher "Volunteers". Lisa Welzhofer trifft die Stimmung der Zeit in dem Kibbuz sehr gut. Die Arbeit der Volunteers war hart, aber abends "wurde getanzt und geknutscht und es haben sich viele Paare gefunden." So kamen auch Barbara und Hagai zusammen und jetzt könnte eine romantische Liebesgeschichte beginnen.

Hagai in den 80iger Jahren auf der Bananenplantage des Kibbuz Ginnosar
Barbara Welzhofer und Hagai haben sich auf den Bananenplantagen des Kibbuz kennengelernt
Barbara als Freiwillige im Kibbuz
Barbara Welzhofer als Freiwillige im Kibbuz in den 70iger Jahren
Lisa und Hagai vor dem Berg Hermon
Lisa mit ihrem Vater Hagai auf einem ihrer ersten gemeinsamen Ausflüge in den Norden Israels mit Blick auf den Berg Hermon
Lisa mit ihrem Vater Hagai und der israelischen Familie
Lisa wurde von der israelischen Famile ihres Vaters herzlich aufgenommen
Lisa am Strand von Tel Aviv während ihres Studienaufenthaltes
2012 lebte Lisa für 2 Monate im Rahmen eines journalistischen Austauschprogrammes in Tel Aviv, das seither ihre Lieblingsstadt ist

"Schwanger?" schrieb Barbara kurze Zeit später in ihr Tagebuch, "ein kleines Skandälchen wäre es schon, ich darf gar nicht an zuhause denken". Leider war auch der 25-jährige Israeli  nicht gerade begeistert als er davon erfuhr.  Er wollte reisen und frei sein.  Die Mutter kehrte nach Hause zurück und so kam Lisa 1978 in Starnberg zur Welt. Ihren Vater kannte sie nur von vergilbten Fotos.  Nur einmal, mit 18,  hatte sie die Mutter nach ihm gefragt. Die gab ihr daraufhin deutlich zu verstehen, dass der Vater sich nie für sie interessiert hätte und sie sich deshalb auch nicht für ihn interessieren sollte.

Das macht nicht wirklich Mut, den eigenen Vater zu suchen. Trotzdem beschloss Lisa Welzhofer an Silvester 2007/2008 genau das zu tun. Ihre Mutter war damals schon gestorben. Lisa hätte die Reise nicht gewagt, solange sie noch lebte.  Zuerst sah sie es als Strategie, sich nicht mehr mit der Geschichte beschäftigen zu müssen. Aber natürlich brachte die Reise sie ihrer Mutter näher - und ihrem Vater.

Kibbuzkind ist ein spannendes und berührendes Buch, das sich in einem Rutsch durchlesen lässt. Lisa Welzhofer schreibt die Geschichte in den Jahren 2014/15 für ihren fünf Monate alten Sohn in Form eines Briefromans auf:  "Dies ist meine Sicht auf unsere Familiengeschichte und ich bin gespannt, wie wir sie weiterschreiben werden."

Buch-Tipp

Kibbuzkind - eine deutsch-israelische Familiengeschichte

Lisa Welzhofer: Kibbuzkind - eine deutsch-israelische Familiengeschichte

159 S., Verlagsanstalt Leipzig, edition chrismon 2018, ISBN 978-3-96038-160-0, 14,00 €.