Sie hat sich einen schwarz-weiß gemusterten Badeanzug geliehen und läuft nun lachend durch die Umkleidekabine des Schwimmbads, spielt ein Model auf dem Laufsteg. Dalal, die 30-jährige Frau aus dem Irak, ist zum ersten Mal mit einer Gruppe Migrantinnen aus Hersbruck im Nürnberger Land und der Region im Hallenbad. Ihren staunenden Söhnen, 10 und 18 Jahre alt, hat sie erzählt: "Eure Mama lernt jetzt schwimmen".

Die Gelegenheit dazu gibt ihr Marianne Ermann: die Frau, die in den vergangenen Jahrzehnten schon viele Ideen hatte, wie sie Flüchtlingsfamilien helfen kann, ihre neue Heimat besser kennenzulernen und sich einzugewöhnen. Für ihre Gruppe "Therapeutisches Schwimmen für geflüchtete Frauen" hat sie am 4. November einen der drei Integrationspreise des Bezirks Mittelfranken erhalten.

"Wasser macht den Körper und die Seele leicht", erklärt Ermann, Sozialpädagogin im Ruhestand. Die Teilnehmerinnen sollen Körpergefühl, Zutrauen zu sich und zum Wasser bekommen.

"Ich habe schon in Syrien immer das Meer geliebt", sagt Batoul, Mutter von fünf kleinen Mädchen. Sie hat in der Frauengruppe des Ökumenischen Vereins für Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten bereits das Schwimmen gelernt. Weil sie Nesril, einer anderen jungen Frau aus Syrien, im Schwimmbad die Kinder anvertrauen kann, kann sie allein eine Bahn schwimmen und sich auf Arm- und Beinbewegungen konzentrieren. 

Die Schwimmbewegungen sind gar nicht so schwer, wenn Marianne Ermann einer Frau die Hand hält. "Was aber oft Panik auslöst, ist, nicht zu wissen, wie man aus der Schwimmlage wieder mit den Füßen auf den Boden des Beckens kommt", sagt Ermann. "Kopf hoch, Knie anziehen", das müsse eine Frau verinnerlichen, dann gehe der Rest von selbst.

Nesril, Batoul, Dasin, Gülenc, Jude, Hanan und Dalin sind alle geflohen, aus Syrien, der Türkei, Äthiopien oder aus Pakistan. Zwei von ihnen steigen immer nur mit dem Burkini ins Becken - die Arme, die Beine und der Kopf sind so von Stoff bedeckt. Andere tragen einen Badeanzug, wieder eine andere einen gewagten Bikini, der aus nur wenig Stoff besteht. "Das ist das schönste Bild vor meinen Augen", sagt Marianne Ermann, dass die Frauen so verschieden sind und sich ohne Vorbehalte untereinander akzeptieren.

Sie quietschen, halten sich an den Händen und hüpfen ins Wasser, kichern und machen Quatsch. Es kann aber auch sein, dass mitten in der lichtdurchfluteten Therme einer Frau die Erinnerung an die Flucht über die Wellen des Meers in den Kopf schießt.

"Wir stellen uns dann eng zusammen und machen Atemübungen", erklärt Ermann, die Hanan als Übersetzerin an ihrer Seite hat. Auch ihr vertrauen die Frauen, wenn sie die Angst überfällt.

Die sehr gemischte Frauentruppe macht sich meist am Sonntagvormittag ins Schwimmbad auf. Da sind sie etwas unter sich. Ermann ruft eine von ihnen an, sagt, dass sie Zeit hat, und per Telefonkette verabreden sich die Teilnehmerinnen. Die Gelder für den Eintritt hat die Gruppenleiterin aus Spenden.

Nach dem Drehkreuz zum Bad erklärt sie den Frauen, die neu sind, das komplizierte System, wie Aufbewahrungsschrank, Schlüssel-Armband und der Eintritts-Chip zu benutzen sind. Es fällt auch eingeborenen Hersbruckern nicht immer leicht, in das Außenschwimmbecken zu finden. Wer sich hier nicht auskennt, hat gerade bei schlechten Deutschkenntnissen Angst, in blöde Situationen zu kommen. Wo sind die Toiletten, und wie sage ich dem Bademeister, dass ich den Chip nicht mehr finde? Was tun, wenn mich einer anquatscht und fragt woher ich komme? "Dann sagst du Berlin", schlägt Marianne Ermann pragmatisch vor.

Einmal, als die resolute kleine Frau mit dem grauen Kurzhaarschnitt dachte, jetzt müsse sie ihre Frauen schützen, hat ein junger Mann am Beckenrand die Migrantinnen intensiv beobachtet. Ermann sprach ihn an, und es stellte sich heraus, "dass er der Sohn von einer Frau aus unserer Gruppe ist", erzählt Ermann lächelnd. Er habe nur wissen wollen, ob das stimmt, was die Mutter erzählt hat, "nämlich, dass sie jetzt schwimmen kann".