Verbraucher können ab sofort sozial- und umweltverträglich produzierte Kleidung am staatlichen Gütesiegel "Grüner Knopf" erkennen. "Es geht um Menschlichkeit in einer globalen Welt", sagte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in Berlin. Denn im Textilbereich gebe es eine der vielen Lieferketten, die in Entwicklungsländern anfingen und in deutschen Kaufhäusern endeten. Die Menschen arbeiteten dabei zum Teil wie Sklaven auf Plantagen und in Fabriken. Die Liste mit den Unternehmen, die Kleidung und Textilien mit dem Öko-Siegel versehen, findet sich auf der Internetseite vom "Grünen Knopf".

Müller verwies auf den Einsturz des Fabrikhochhauses Rana Plaza im April 2013 in Bangladesch, bei dem mehr als 1.100 Beschäftigte von Textilfirmen getötet wurden. Der Wille, diese Bedingungen zu ändern, habe ihn angetrieben, den "Grünen Knopf" voranzubringen. Die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler ist Textilbotschafterin für den "Grünen Knopf".

70 Unternehmen haben laut Minister Müller bislang ihr Interesse an dem Siegel bekundet. 27 von ihnen können ab sofort Produkte verkaufen, die damit ausgezeichnet sind. Dazu gehören die Discounter Aldi und Lidl, die Firmen Hess Natur und Vaude sowie Rewe und Tchibo. Im Prüfprozess seien unter anderem Hugo Boss und die Otto-Group. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, lobte das Siegel in Berlin als "sehr konkreten Schritt in die richtige Richtung".

Grüner Knopf kennzeichnet umweltverträgliche Kleidung

Minister Müller forderte, dass der "Grüne Knopf" auch bei der öffentlichen Beschaffung zum Maßstab werden müsse, indem die Bundeswehr, die Polizei und Krankenhäuser künftig Textilien verwenden, die staatlich ausgezeichnet sind. Noch sei man aber weit davon entfernt, räumte er ein.

Müllers Worten nach deckt der "Grüne Knopf" zunächst die Arbeitsschritte "Nähen" und "Färben" ab. Er versicherte, dass das Siegel in den kommenden Jahren auf weitere Produktionsschritte wie den Baumwollanbau ausgeweitet werde. Auch die Sozial- und Umweltkriterien würden kontinuierlich weiterentwickelt. Hier soll ein Beirat aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft mitwirken. Müller sprach sich für europäische gesetzliche Standards aus, für die er sich einsetzen wolle.

Der Starttermin für das Siegel hatte sich immer wieder verzögert. Das Ministerium begründete das damit, dass immer mehr Unternehmen Interesse bekundet hatten. Bei denen muss zunächst noch überprüft werden, ob sie die Kriterien erfüllen. Die Einführungsphase ist daher bis Ende Juni 2021 vorgesehen.

Was Menschenrechtler am "Grünen Knopf" kritisieren

Die Organisation "terre des hommes" kritisierte indes, dass das Siegel nicht besonders ausbeuterische Produktionsschritte in den Blick nehme, nämlich "Kinderarbeit im Baumwollanbau, Sklaverei in Spinnereien". Greenpeace hob hervor, dass nach jetzigem Stand der "Grüne Knopf" auch auf einem T-Shirt aus pestizidbehandelter Gentechnik-Baumwolle kleben könnte. Denn die Prüfprozesse gebe es quasi erst beim Färben. Andere Siegel gingen da bereits weiter.

Der Gesamtverband textil+mode erklärte, kein Vertrauen in das neue Siegel zu haben, und kritisierte, dass "die international etablierten Siegel und Zertifizierungssysteme, in die unsere Unternehmen seit langem viel investieren, Schaden nehmen". Die christliche Initiative Romero rief im Radioprogramm SWR Aktuell dazu auf, den "Grünen Knopf" noch mindestens ein Jahr zu ignorieren. Standards von bereits bestehenden Textilsiegeln könnten ausgehöhlt werden, wenn Unternehmen das staatliche Siegel bevorzugten, weil die Richtlinien weniger streng seien.

Die Menschenrechts- und Hilfsorganisation medico international kritisierte, das Siegel setze auf Freiwilligkeit und sei daher praktisch wirkungslos. Müller betreibe "Schaufensterpolitik", statt endlich das Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen. Das steht allerdings frühestens für das nächste Jahr an: Die Bundesregierung befragt derzeit 1.800 deutsche Unternehmen zur Einhaltung menschenrechtlicher Standards bei der Produktion im Ausland. Wenn im Ergebnis weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, will die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen.