Ich habe mich als Kind nie vor dem Nikolaus gefürchtet - meine Eltern mussten nämlich ihre Autorität nicht durch Verweise auf strenge oder strafende Heilige festigen. Außerdem habe ich bald herausbekommen, dass der Nikolaus, der bei uns alle Jahre wieder vorbeikam, einem netten Nachbarn außerordentlich ähnlich sah. Ich habe allerdings darauf verzichtet, das näher zu ergründen.

Stattdessen habe ich brav aufgesagt, was verlangt war und mich gefreut über das, was ich geschenkt bekam: Mandarinen, Nüsse, Buntstifte, Malbücher. Später dann auch mal ein "richtiges" Buch. Einsamer Höhepunkt war ein Nikolausabend, an dem ich ein Fußbänkchen bekam. Ein richtiges Fußbänkchen aus Holz zum Sitzen und Klettern! Ich habe es geliebt. Und tue es immer noch - denn es steht in unserer Wohnung.

Wenn ich mal wieder nicht hinaufreiche in des Schrankes Höhen, hole ich mein Bankerl und kraxle nach oben. Inzwischen dient es hinter einem Vorhang auch als Versteck für die Nikolaussäcke, die mein Mann bekommt. Denn selbstverständlich wird die Tradition fortgeführt - nur dass ich als unsichtbarer Nikolaus fungiere. Ich fülle rechtzeitig vor dem 6. Dezember einen Sack mit schönen Dingen und stelle ihn auf dem Bankerl ab.

Irgendwann abends schleiche ich vor die Wohnungstür, stelle den Sack ab, läute und rase wie der Wind wieder in die Wohnung. Dort rufe ich meinem Herzallerliebsten zu, ob er nicht aufmachen will. Zu meiner Freude klappt das immer! Jedes Jahr steht mein Mann dann mit dem Nikolaussack da und strahlt wie ein großer Bub über das ganze Gesicht. Und mir Kindskopf geht das Herz auf.