"Ich war in einem Restaurant und ich bin rausgegangen, um zu telefonieren, und auf einmal ruft jemand aus dem Auto 'Hey Süße' und lacht". Die 19-jährige Verena sagt, das sei kein schönes Erlebnis gewesen.

Noch krasser hat es Lea erlebt. Sie erinnert sich an einen Mann, "der kam von hinten ganz nah an mich ran, als ich ein Klingelschild gesucht habe, und hat Sachen zu mir gesagt, die möchte ich nicht wiederholen". Solche Geschichten von verbaler Belästigung können die meisten Frauen erzählen.

Catcalling im Alltag

Für viele gehört das sogenannte "Catcalling" so sehr zum Alltag, dass sie es als Teil ihres öffentlichen Lebens akzeptiert haben. Andere, vor allem jüngere Frauen und Mädchen, verstört eine solche Erfahrung komplett.

Martina Frohmader aus Nürnberg ist Referentin in der Präventionsarbeit der Evangelischen Jugend und kennt die Folgen, die Catcalling für die Betroffenen haben kann. "Frauen fühlen sie sich so weit verletzt, dass sie sich überlegen, was sie anziehen, wo sie sich zeigen und welche Wege sie im öffentlichen Raum gehen können", sagt sie.

Catcalling sei kein Kompliment. Den meisten Frauen sei es äußerst unangenehm, sie fühlten eine Grenze übertreten und sich herabgewürdigt.

Junge Männer definierten über solches Verhalten ihr Mannsein oder befriedigten damit ihr Machtbedürfnis, erklärt Frohmader.

"Ich unterstelle allen Männern und Jungs, sehr wohl zu wissen, was Flirten ist und was übergriffiges Verhalten ist".

Bei einer spontanen Umfrage auf den Straßen Nürnbergs sagen Männer aber auch, dass sie sich vorstellen könnten, bei Catcalling einzugreifen, allerdings erst, "wenn die Situation eskaliert", wie es Clemens formuliert.

Wenn die Bemerkungen "in charmanter Form" gemacht würden, "kann man das machen", meint er.

Präventionsarbeit 

Nur sind auch charmante sexuelle Belästigungen Belästigung. Damit es zu ihnen gar nicht kommt, arbeitet Frohmader an Präventionsstrategien, um sexualisierte Gewalt generell zu verhindern.

Sie will Werte für den Umgang miteinander vermitteln, aber auch darüber aufklären, wie man seine Grenzen setzt. Es gibt einen Verhaltenskodex der Evangelischen Jugend mit dem Titel "Bei uns nicht", dem sich alle Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen verpflichten sollen.

Das Thema "Catcalling" in der evangelischen Jugendarbeit

Der Jugendverband hat sich nun außerdem zum Ziel gesetzt, "Catcalling" in der Gesellschaft bekannter zu machen. "Bei Jung und Alt, bei den Jungs genauso wie bei den Mädchen", sagt die Vorsitzende der Landesjugendkammer, Marlene Altenmüller.

Sie hat in dem Gremium das Thema "Catcalling" auf die Tagesordnung gebracht, nachdem nun vermehrt in den Medien darüber berichtet worden sei. Denn sie habe sich selber "schon wahnsinnig lange darüber geärgert, dass es kein Bewusstsein dafür gibt, dass es kein Kompliment ist, sondern Belästigung auf offener Straße".

Melanie Ott, Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Landesjugendkammer erklärt, gerade die evangelische Jugend sollte dafür stehen, dass der Umgang miteinander und die Rücksichtnahme auf andere wichtig sei.

Beide junge Frauen erklären, dass Mädchen ab dem Eintritt in die Pubertät Belästigungen auf der Straße erlebten.

"Und da ist es wichtig, darüber zu reden".

In den pädagogischen Grundausbildungen zum Jugendleiter werde bereits über Grenzziehungen und über sexualisierte Gewalt gesprochen und hier sollte auch das Thema Catcalling einen Platz finden.

Umgang mit Catcalling

Sozialpädagogin Martina Frohmader rät jedem, der sich in irgendeiner Weise verbal oder auch körperlich belästigt fühlt, sich Hilfe zu holen bei Freundinnen oder Freunden, Eltern oder Lehrern.

"Ich möchte, dass sie sich nicht damit zufrieden geben und sagen, 'okay das ist halt so', sondern dass sie Hilfe holen und sich auch wehren", betont Frohmader.

Bisher ist sexuelle Belästigung ohne Anfassen, also Catcalling, in Deutschland nicht strafbar. Bestraft wird es in Portugal, Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Deshalb unterstützen Marlene und Melanie die Petition namens "Catcalling sollte strafbar sein".

Sie hat die nötigen 50.000 Stimmen schon erreicht, kann aber weiterhin unterschrieben werden.