Er hoffe nicht, dass es durch "unvernünftiges Verhalten" Einzelner doch noch zu Ausgehverboten komme, sagte der Chefarzt der Klinik für Tropenmedizin an der Missioklinik am Mittwoch im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.

"Um es klarzustellen: Es ist nicht falsch, auf die Straßen zu gehen und sich etwa die Schaufenster anzugucken oder zu joggen - aber mit Abstand, nicht in Grüppchen." Es sei nun einfach nicht die Zeit für Partys, auch nicht im Privaten.

Sorge mitnichten übertrieben

Die Sorge der Experten und Politiker wegen der Corona-Pandemie sei mitnichten übertrieben - und auch der von Kritikern oft herangezogene Vergleich zur gewöhnlichen Grippe (Influenza) hinke. "Wir sehen es in Würzburg etwa an dem Pflegeheim mit den bislang drei Toten, was das Virus anrichten kann", betonte Stich.

Momentan habe man noch nicht genügend Daten für eine abschließende Bewertung, welches Virus nun gefährlicher ist: "Wichtige Unterschiede aber sind: Wir können gegen Influenza impfen und kennen die Krankheit." Dennoch stürben daran Menschen: "Ein unbekanntes Virus ist also ungleich risikoreicher."

"Bewährung für christliche Werteordnung"

Nach dem Ende der Pandemie müsse man sich viel Zeit nehmen, um Lehren daraus zu ziehen, forderte Stich. "Das ist auch eine Bewährung für unsere christliche Werteordnung", sagte er: "Durch Jahrzehnte in Frieden und Wohlstand fällt es vielen Menschen heute sehr schwer zu akzeptieren, dass all dies eben keine Selbstverständlichkeit und nicht gottgegeben ist."

Für das Gesundheitssystem gelte, dass man schnell weg kommen müsse von einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung: "Eine Klinik darf kein Unternehmen sein, das Gesundheit verkauft." Es brauche mehr Ressourcen für Ernstfälle, die eben auch Geld kosten.

"Mich schmerzt in diesen Tagen besonders, dass die Europäische Union wieder einmal versagt hat - wie schon in der Flüchtlingspolitik", sagte Stich, der mit seinem Klinik-Team seit Jahren Flüchtlinge medizinisch betreut. Dass es kein koordiniertes Vorgehen gegeben habe, sondern einzelne Staaten mit eigenen Maßnahmen vorpreschen mussten, sei traurig.