Christkind oder Weihnachtsmann? Der freundschaftliche Streit darüber, wer von beiden die Weihnachtsgeschenke bringt, gehört in vielen Familien so fest zur Vorweihnachtszeit wie Lebkuchen und Adventskranz. In salomonischer Absicht verdonnern viele Eltern die beiden Gabenbringer zum himmlischen Teamwork – dabei hat die Sache eigentlich als Konkurrenzkampf begonnen.

Denn bis der Reformator Martin Luther die Grundfeste der katholischen Kirche erschütterte, brachte der heilige Nikolaus den Kindern Geschenke – und zwar am 6. Dezember und nicht an Weihnachten. Doch Heiligenverehrung war Luther ein Dorn im Auge. In seiner zum Nikolaustag 1527 gehaltenen Predigt tat er die Legenden um Bischof Nikolaus von Myra als "kyndisch ding" ab. Gaben bringen sollte allein der "Heilige Christ", und zwar am ersten Weihnachtstag.

Nikolaus als Gabenbringer

Die Weichen für ein munteres Durcheinander waren gestellt: Die Familie Luther hielt zunächst selbst noch am Nikolausbrauch fest – das belegt eine Hausrechnung über "Niclasgeschenke" der Eheleute aus dem Jahr 1535. Auch in Luthers Schriften kommt der Nikolaus als Gabenbringer noch vor: "Gleichwie man die kindlin gewenet, das sie fasten und beten und jr kleiderlin des nachtes ausbreiten, das jn das Christkindlin odder Sanct Nicolas bescheren sol."

Doch spätestens seit dem Jahr 1531 wurde im Hause Luther im Namen des "Heiligen Christ" beschert. Damit wollte der Reformator auch den Kindern begreiflich machen, dass die Geburt Jesu Gottes großes Geschenk an die Menschen sei.

Luthers "Heiliger Christ" verwandelt sich ins "Christkind"

Im "Heiligen Christ" sah Luther dabei nach Meinung von Ethnologen nicht das neugeborene Jesuskind; vielmehr habe er die Figur von den engelähnlichen Gestalten in Krippenspielen und Weihnachtsumzügen abgeleitet. Oft waren es Mädchen in weißen Gewändern, die dabei auftraten. So verwandelte sich Luthers "Heiliger Christ" allmählich ins "Christkind", das in der Weihnachtsnacht heimlich die Geschenke brachte – und mit fortschreitendem Erfolg der Reformation den heiligen Nikolaus als Gabenbringer verdrängte.

Ein sanfter Kulturwandel war das nicht immer. Viele protestantische Stadtverwaltungen erließen Verbote mit Blick auf den Nikolausbrauch. So soll etwa auf Anraten des Münsterpfarrers der Straßburger Magistrat im Jahr 1570 beschlossen haben, die Nikolausumzüge zu verbieten, um den Kindern einzuschärfen, dass nicht der Heilige, sondern das Christkind die Geschenke bringe.

Das Christkind ist heutzutage vor allem in katholischen Gegenden verbreitet

Auch evangelische Geistliche gingen lange Zeit gegen den heiligen Nikolaus vor. In einer Predigt von 1608 beklagt ein Pfarrer, "daß etliche Eltern den Kindern etwas auf das Bett legen und sagen: Sankt Nikolaus hat es beschert, welches ein böser Brauch ist, weil dadurch die Kinder zum Heiligen gewiesen werden, da wir doch wissen, daß nicht Sankt Niklas, sondern das heilige Christkindlein alles Gute an Leib und Seele bescheret, welches wir auch allein darum anrufen sollten."

Gerade weil der Nikolaus mit so viel protestantischem Ernst vertrieben werden sollte, mutet es wie ein ökumenischer Witz der Geschichte an, dass das Christkind heutzutage vor allem in katholischen Gegenden verbreitet ist. In evangelischen Regionen hingegen hat sich der vom katholischen Nikolaus abgeleitete Weihnachtsmann als Gabenbringer etabliert.

Fest steht: Egal ob Christkind oder Weihnachtsmann – ohne Luther wäre Weihnachten wohl nicht das beliebteste Fest der Deutschen geworden.