"Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan."

Aufgeschrieben wurde dieser Satz in einer Zeit, in der die Welt für die Menschen eine gefährliche, unübersichtliche Wildnis darstellte, der man den eigenen Lebensraum mühsam abtrotzen musste. Heute haben sich die Machtverhältnisse umgekehrt. Und die Ermutigung, über die Tiere zu "herrschen", klingt fast höhnisch angesichts überfischter Meere, schrumpfender Wälder und Massentierhaltung. Vergessen wird: Herrschende sind auch verantwortlich für die ihnen Unterstellten. (1. Mose 1, 28)

"Ihr habt den Teufel zum Vater."

Judenfeindliche Äußerungen, die sich aus der Abgrenzung der ersten christlichen Gemeinden vom Judentum und aus dem Glauben an die eigene Überlegenheit ergaben, finden sich schon im Neuen Testament. So legt der Evangelist Matthäus dem jüdischen Volk, das gerade den Kreuzestod Jesu gefordert hatte, folgende Worte in den Mund: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" Er stellte damit eine Aussage in den Raum, die über Jahrhunderte hinweg zur Legitimation blutiger Judenverfolgungen genutzt wurde. Man hielt den Satz für ein Schuldeingeständnis und die Juden für schuldig am Tod Jesu. Vergessen wurde dabei stets, dass Jesus selbst Jude war und nie die Absicht geäußert hat, eine neue Religion zu gründen. Auch wollte er keine feindlichen Haltungen seinem eigenen Volk gegenüber provozieren. (Matthäus 27, 25, Johannes 8, 44)

"Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch."

Dieser Vers wird gerne gegen gleichgeschlechtliche Paare verwendet. Zu Unrecht, denn dieser Satz ist kein Gebot, sondern eine archaische Darstellung der Schöpfung. Um gleichgeschlechtliche Liebe ethisch zu bedenken, sind andere biblische Werte heranzuziehen wie Vertrauen und Verantwortung. (1. Mose 2, 24)

"Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen!"

Auch zur Rechtfertigung grausamer Hexenverfolgungen suchten sich Menschen, die mit der Weisheit oder dem Verhalten einiger Frauen nicht klarkamen, einen passenden Spruch aus der Bibel aus. "Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen", heißt es da, ebenso wie jemanden, der dem "Vieh beiwohnt". Von dem, was die Menschen sich später unter Hexen vorstellten, ist hier allerdings gar nicht die Rede. Die Bibel spricht sich jedoch wiederholt strikt gegen Wahrsagerei und Praktiken schwarzer Magie aus, die aus Eigennutz ausgeübt werden und Menschen dazu verleiten, Gottes Allmacht infrage zu stellen. ( 2. Mose 22, 17)

"Züchtige deinen Sohn, so wird er dir Freude machen und deine Seele erquicken."

Schläge waren lange auch bei Christen ein verbreitetes Erziehungsmittel. Wer lieber mit Schlägen als mit Worten argumentiert, begründet sein Handeln heute noch gerne mit der Bibel. Denn dort ist zu lesen: "Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn beizeiten." Sogar von Gott selbst heißt es, er züchtige die Menschen, wie ein Vater seinen Sohn. Ein Freibrief zur Ausübung erniedrigender Gewalt Kindern und anderen gegenüber ist das jedoch nicht. (5. Mose 25, 2 f., Sprüche 13, 24, Kolosser 3, 21)

"Es steht der Frau schlecht an, in der Gemeinde zu reden."

Auch wer die Unterordnung der Frau unter den Mann fordert, findet in der Bibel unterstützende Verse. "Es steht der Frau schlecht an, in der Gemeinde zu reden", heißt es da zum Beispiel, oder noch nachdrücklicher: "Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still." Solche Aussagen finden sich im Neuen Testament vor allem in den Spätschriften. Zeigt sich da etwa der wachsende Unmut der Männer darüber, dass Frauen damals ganz selbstverständlich leitende Rollen in der Gemeinde einnahmen? Zu Jesu Anhängerschaft jedenfalls zählten unzweifelhaft auch Frauen. Und Paulus betont außerdem: "Hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus." (1. Korinther 14, 35, 1. Timotheus 2, 12, Galater 3, 28)

"Jedermann sei untertan der Obrigkeit."

Wer sich Unterordnung der Menschen unter die eigene Macht wünschte, konnte sich ebenfalls auf die Bibel berufen. Paulus war nämlich überzeugt: "Es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes." Paulus rechnete mit der baldigen Wiederkehr Christi und einer damit einhergehenden völligen Neuordnung der Verhältnisse. Auch deswegen riet er den Menschen, sich nicht gegen bestehende Verhältnisse aufzulehnen. Angesichts des Leides, das sich aus einer solchen Haltung im Laufe der Geschichte immer wieder ergab, ist Paulus‘ Einstellung heute kaum noch nachvollziehbar. Sich jeder Willkür der Obrigkeit völlig zu unterwerfen, fordert die Bibel jedoch gar nicht. "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen", heißt es in der Apostelgeschichte. Und Jesus bringt es auf den Punkt, wenn er verlangt: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." (Römer 13, 1 f., Apostelgeschichte 5, 29, Markus 12, 17)