Die Frau des Pilatus gehört zu den Nebenfiguren der Passionsgeschichte. Doch ihr im Matthäusevangelium überlieferter Traum hat im Verlauf der Geschichte des Christentums zu interessanten Überlegungen geführt.

Nur in einem einzelnen Vers erwähnt die Bibel die Frau des Pilatus: »Und als Pilatus auf dem Richterstuhl saß, schickte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heute viel erlitten im Traum um seinetwillen.« (Matthäus 27,19) Was die Frau des römischen Statthalters geträumt hat, erwähnt die Bibel nicht. Aber da sie sich offenbar für Jesus eingesetzt hat, gab es darüber bald Spekulationen.

Ehefrau des Pilatus bleibt erst einmal namenlos

Die Ehefrau des Pilatus wird im Neuen Testament ohne Namen erwähnt. In einigen Versionen des apokryphen Nikodemusevangeliums wird sie erstmals als Procula bezeichnet. Erst in der Chronik des Pseudo-Dexter, einer Fälschung des frühen 17. Jahrhunderts, wird der Vorname Claudia hinzugefügt.

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Claudia Procula also. Der Vermerk aus Matthäus 27 lässt darauf schließen, dass sie sich in Jerusalem befand, als eine Abordnung des Hohen Rates Jesus vor den Richterstuhl des Pilatus brachte und seine Verurteilung als Aufrührer verlangte. Die Szene wird traditionell in der Festung Antonia im Norden der Stadt verortet, fand nach heutiger Vermutung aber wohl eher im Praetorium statt, dem ehemaligen Palast Herodes des Großen, in dem Pilatus während seines Aufenthalts in der Stadt residierte.

Biblische Textauslegung zu Pilatus

Als sie von der Forderung der Priester und der versammelten Volksmenge hörte, Jesus zu kreuzigen, ließ sie ihrem Mann die Nachricht überbringen, sie habe im Traum wegen Jesus viel erlitten. Währenddessen war Pilatus jedoch bereits mitten in der Gerichtsverhandlung.

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Für die Ausleger der Textstelle war umstritten, von wem der Traum kommt. Dass er von Gott kommt, glaubten Johannes Chrysostomus († 407), Ambrosius von Mailand († 397) und Johannes Calvin. Dass er vom Teufel kommt, behaupteten Beda Venerabilis († 735), Anselm von Laon († 1117) und Martin Luther. Sie glaubten, der Teufel habe erkannt, dass mit der Kreuzigung Jesu der Heilsplan Gottes seiner Verwirklichung entgegengeht. Satan habe den Tod Jesu noch in letzter Sekunde verhindern wollen, um die Erlösung der Menschen unmöglich zu machen.

Frau des Pilatus wurde Christin

Wegen ihrer Bitte für Jesus wurde die Frau des Pilatus bald verehrt. Sehr früh kam die Überzeugung auf, sie sei später Christin geworden. Der Kirchenvater Origenes hielt sie bereits in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts wegen ihres Leidens für »gerettet« und »selig«. Im apokryphen Nikodemusevangelium wird Procula als »Gottesfürchtige« bezeichnet, später wurde sie zur Heiligen erhoben. Der Legende nach war sie auch die Tochter des Kaisers Tiberius.