epd: Auf welches Ereignis in Ihrem Leben sind Sie besonders stolz?


Knobloch: Das großartigste Ereignis in meinem beruflichen Leben war der Bau des neuen jüdischen Zentrums in München, das 2006 fertiggestellt wurde. Das Thema hat mich seit 1987 beschäftigt, als ich die Idee hatte, dass die jüdische Gesellschaft in München wieder ein Zuhause im Herzen der Stadt haben muss - ein Zuhause, wo man Gäste empfangen kann, wo man sich präsentieren und darstellen kann und wo man wieder anknüpfen kann an die Zeit vor 1933. Jedes Mal, wenn ich heute zum Jakobsplatz komme, freue ich mich darüber, was dort entstanden ist. Heute ist er ein Platz der Begegnung, der dem Marienplatz schon fast den Rang abgelaufen hat (lacht).


epd: Es grenzt an ein Wunder, dass Sie Ihren 80. Geburtstag in Deutschland feiern. Sie sind nur knapp den Nazis entkommen, nach dem Zweiten Weltkrieg waren Sie kurz davor auszuwandern. Welche Gefühle überwiegen heute? Wut auf die Nazis, Trauer, Vergebung...?


Knobloch: Ich empfinde Freude. Ich bin ein "Münchner Kindl" und lebe sehr gerne in dieser Stadt. Ich liebe das Umfeld, die Landschaft - ich fühle mich einfach gut. Heute bin ich froh, dass uns das Schicksal gezwungen hat, unsere Koffer wieder auf den Speicher zu stellen. Mein Mann und ich hatten nach 1945 den festen Plan, in die USA auszuwandern. Wir wollten dieses Land verlassen, und es war anfangs eine enorme Belastung, weiterhin mit den Menschen zu leben, die uns zuvor gedemütigt und beleidigt hatten. Heute bin ich glücklich, dass wir hier geblieben sind und dass ich das jüdische Leben in Deutschland mitgestalten konnte.


epd: Wie hat sich das jüdische Leben in München mit dem neuen Zentrum am Jakobsplatz bis heute entwickelt?


Knobloch: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Religion auch einen gewissen Rahmen braucht. Als die neue Synagoge eröffnet war, waren die Gottesdienste plötzlich wieder bis auf den letzten Platz besetzt. Ich hätte auch nicht mit solch positiver Resonanz und mit so viel Interesse aus der Bevölkerung gerechnet. Mit dem neuen jüdischen Zentrum haben wir die Hinterhofatmosphäre verlassen, sind an die Öffentlichkeit gegangen und im Bewusstsein der Menschen angekommen. Wir haben damit sicherlich die halbe Strecke des Weges hin zur Normalität zurückgelegt - nur durch diese Gebäude und unsere Präsenz im Zentrum der Stadt. Das war außerdem eine Initialzündung für alle anderen Bundesländer, darüber nachzudenken, was sie für ihre jüdischen Gemeinden tun können.


Das Interview ist erschienen bei epd-Mobil. Abonnement unter: epd-Mobildienst

Dossier

#Glaubensfrage

Woran glaube ich? An welchen Werten orientiere ich mich? Welche Rolle spielen Gott und Religion in meinem Leben? Das sind Fragen, mit denen sich Prominente aus Kirche und Politik, Gesellschaft und Kultur in unserer Reihe #Glaubensfrage beschäftigen. Mehr dazu in unserem Dossier:  www.sonntagsblatt.de/glaubensfrage