Nach der aus dem Ruder gelaufenen "Querdenker"-Demo in Leipzig hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Behörden zu Wachsamkeit aufgefordert.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erläutert im Gespräch mit dem Sonntagsblatt, warum der Verfassungsschutz im Freistaat die Bewegung genau im Blick hat - und weshalb von einer "Querdenker"-Kundgebung im Freistaat keine Bilder von Polonaise tanzenden Demonstranten ohne Gesichtsmaske zu erwarten sind.

Was heißt das, wenn Ministerpräsident Söder sagt, die Sicherheitsbehörden sollten sich dem Phänomen "Querdenker" annehmen? Ist die Bewegung ein Fall für den Verfassungsschutz?

Joachim Herrmann: Die "Querdenken"-Bewegung ist eine äußerst heterogene Gruppierung, die wir genau im Blick haben. Momentan ist aber der gesetzliche Beobachtungsauftrag des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht eröffnet, auch im Verfassungsschutzverbund werden die Gruppierungen derzeit nicht als Beobachtungsobjekte geführt.

Wichtig ist hierbei zu sagen: Die Entscheidung zur Beobachtung ist keine politische, sondern eine gesetzliche, die das Landesamt für Verfassungsschutz vornimmt. Das Landesamt achtet übrigens bereits jetzt ganz genau darauf, ob Extremisten ihre Teilnahme unter anderem an den Veranstaltungen der "Querdenker" ankündigen und versuchen, diese zu beeinflussen.

Wie ist Ihre Einschätzung: Braut sich da wirklich eine neue Form von "Pegida" zusammen, oder sind die "Querdenker" nur eine Randerscheinung der Corona-Pandemie?

Herrmann: Der aktuell festzustellende oft fanatische Aktionismus gegen die Corona-Einschränkungen stellt sich als eine Art "Sammelbecken" für Personen dar, die aus verschiedensten Gründen die Handhabung der Corona-Pandemie durch die verantwortlichen staatlichen Stellen ablehnen.

Die Spannweite reicht dabei von Bürgern, die auf die Bedeutung des Versammlungsgrundrechts hinweisen wollen, über fanatische Impfgegner, Esoteriker, generelle Staatsskeptiker bis hin zu Verschwörungstheoretikern.

Auch Rechtsextremisten sowie "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" versuchen, sich die Corona-Krise zunutze zu machen und beteiligen sich an entsprechenden Demos.

Sollten die "Querdenker" auch in Bayern noch einmal demonstrieren wollen: Könnte so ein Kontrollverlust wie in Leipzig auch bei einer Demo im Freistaat drohen?

Herrmann: Ich kann versichern, dass die Bayerische Polizei - wie auch bisher - sehr genau im Einzelfall beurteilen wird, welche personellen und organisatorischen Maßnahmen für den geordneten Ablauf einer Demonstration erforderlich sind. Selbstverständlich finden hierbei auch besondere Vorkommnisse, wie zuletzt in Leipzig, Berücksichtigung.

Besondere Bedeutung kommt insbesondere der Verlegung großer Versammlungen an Örtlichkeiten außerhalb belebter und beengter Innenstädte zu, wie etwa vom Marienplatz auf die Theresienwiese in München - was auch vom Verwaltungsgerichtshof gebilligt wurde.

Feststeht, dass die Polizei auch in Zukunft bei erkannten Verstößen konsequent einschreiten wird, damit die Versammlungsteilnehmer die Hygienemaßnahmen einhalten.

Grundsätzlich sollte jede Demonstration, bei der 90 Prozent der Teilnehmer keine Maske tragen und sich nicht an die Hygieneauflagen halten, unterbunden werden.