Heute ist das direkt am fränkischen Jakobsweg gelegene Gotteshaus vor allem als erstes und einziges Pilgerzentrum der bayerischen Landeskirche bekannt. Wer durch das Hauptportal tritt, steht auch schon mittendrin in dem nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg entstandenen Komplex und wird von Ehrenamtlichen empfangen.

Von hier aus geht es die Treppen hoch in die in den 1960er-Jahren entstandenen Gemeinderäume. Über eine Wendeltreppe gelangt man dann wieder in die Kirche, deren heutiges Bild die Baugeschichte der vergangenen Jahrhunderte mit all ihren Irrungen und Wirrungen zeigt.

In vier Tagen von der Seele geschrieben

Markus Hörsch hat diese in seinem mit rund 40 Seiten und mit vielen Bildern ausgeschmückten Kirchenführer nachgezeichnet. "In knapp vier Tagen habe ich mir die Texte von der Seele geschrieben", erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa in Leipzig. Und das ist keine Angeberei.

Der gebürtige Nürnberger beschäftigt sich nicht nur von Berufs wegen mit der Architekturgeschichte und der bildenden Kunst des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Seit rund 20 Jahren befasst er sich auch intensiv mit St. Jakob, was letztlich in wissenschaftlichen Aufsätzen in dem im Februar erschienenen Mammutwerk "Nürnberg als Kunstzentrum des Heiligen Römischen Reiches. Höfische und städtische Malerei in der Zeit Karls IV. 1346–1378" seines Freundes und Kollegen Jiří Fajt, einem deutsch-tschechischen Kunsthistoriker, gemündet hat. Der kleine Kirchenführer ist somit ein auf Initiative der Kirchengemeinde und des Kunstverlags Josef Fink entstandenes "Nebenprodukt".

Begeisterung für St. Jakob in Nürnberg

Allerdings eines, das es sachlich in sich hat und das auch für Nicht-Wissenschaftler leicht zugänglich ist. "Schon mein Vater hat mir eingetrichtert, ich solle so schreiben, dass es auch ein Zehnjähriger versteht und interessant findet", meint der 60-Jährige, dem man seine Begeisterung für St. Jakob anhört und der bekennt: "Ich finde alte Kirchen einfach geil."

Wer nach St. Jakob kommt, der solle sich nicht nur das berühmte Hochaltarretabel aus der Zeit Karls IV. anschauen, das im Jahr 2000 restauriert wurde und trotz seiner rund 700 Jahre noch im Wesentlichen originalgetreu erhalten ist. Im Chorraum, in dem schon die Deutschordensherren gesessen waren, fällt Markus Hörschs Blick vor allem auf die Säulen des Gewölbes, die scheinbar aus dem Nichts kommen und eine perfekte Symmetrie bilden. "Wer sich um das Jahr 1280 so etwas ausdachte, der hatte nicht nur Geschmacks, sondern unglaublichen Sachverstand", meint Hörsch.

Er wendet den Blick auf die Heiligenfiguren, die auf Sockel stehen, die bei genauem Hinschauen viel zu groß geraten sind. Und hat eine Lösung parat, die auch den gesamten Kircheninnenraum kennzeichnet: Die Figuren sind nicht die, die ursprünglich hier stehen sollten. Ebenso wenig wie beispielsweise ein Apostelaltar, der einst in der Frauenkirche stand oder eine Ecce-homo-Darstellung, die für die mittlerweile verschwundene Dominikanerkirche gedacht war.

Im Kirchenführer stößt er seine Leser teils mit der Nase auf solche Mysterien. Zum Beispiel auf die Figurengruppe der heiligen Anna Selbdritt, der Mutter Mariens, die Veit Stoß mit dem Jesuskind und Maria selbst auf den Händen tragend darstellt und die gleich groß erscheinen.

Nur wer sich den Sockel der Schnitzerei näher anschaut, stell fest, dass ihr Platz einmal woanders war. Hörsch schreibt, die Gruppe hing einst wie der berühmte "Englische Gruß", der rund zehn Jahre jünger ist, in der Lorenzkirche frei im Kirchenraum.

Es gebe, sagt Hörsch, noch viel Forschungsbedarf an den Kunstwerken und deren Herkunft in der Jakobskirche, was diese für den Historiker umso spannender macht. Und nicht nur dort - auch in anderen Nürnberger Kirchen würden noch viele Rätsel auf deren Lösung warten.