Die Probleme von Menschen mit Sehbehinderungen spielen in vielen Gemeinden noch kaum eine Rolle. "Die Resonanz auf das Thema bei den Gemeinden ist gering", sagte Gerald Kick, Beauftragter der bayerischen evangelischen Landeskirche für die Blinden- und Sehbehindertenseelsorge, dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Man will sich damit oftmals nicht auseinandersetzen." Dabei steige der Anteil der Menschen - und damit auch der Gemeindemitglieder -, die unter einer Sehbehinderung leiden.

Nach Angaben des bundesweiten Dachverbands der evangelischen Blinden- und Sehbehindertenseelsorge seien in einer Kirchengemeinde mit 3.000 Mitgliedern im Schnitt etwa 45 Menschen blind oder sehbehindert. Die Zahl gehe auf Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation von 2002 zurück. "Sie dürfte mittlerweile jedoch deutlich höher sein", erläuterte die theologische Referentin des Verbands, Barbara Brusius, dem epd. Grund dafür sei die älter werdende Bevölkerung. Damit nehme auch die Zahl der Augenerkrankungen zu, wie etwa der Makuladegeneration - einer Erkrankung der Netzhaut, die zur Blindheit führen kann.

"In den Kirchengemeinden wundern sich die Leute oft, warum manche Mitglieder irgendwann wegbleiben", berichtet Brusius. Menschen, die schlecht sehen, trauten sich jedoch oft nicht mehr auf die Straße oder scheuten Veranstaltungen, weil sie sich dort nicht mehr zurecht finden. "Wir wollen die Gemeinden dafür sensibilisieren: Schaut hin und fragt euch: Warum kommen die nicht mehr?", so Brusius.

Bei einer Fachtagung in Augsburg haben sich Seelsorger, Experten und Ehrenamtliche im Februar drei Tage lang mit dem Thema beschäftigt. Dabei ging es vor allem um die Assistenz für Blinde und Sehbehinderte - insbesondere in Kirchengemeinden. Zwar gebe es durch die Digitalisierung mittlerweile mehr Möglichkeiten für blinde und sehbehinderte Menschen, sich selbst zu helfen. "Das nutzen aber vor allem die Jüngeren", berichtete Seelsorger Gerald Kick. Die Mehrzahl der Betroffenen in den Kirchengemeinden seien jedoch ältere Menschen.

Für diese seien Computer oder gar Apps auf Smartphones oft "eine starke Überforderung", meinte Barbara Brusius: "Sie brauchen Unterstützung. Wir müssen sie ermutigen, dass sie dies auch formulieren." Gleichzeitig sei es wichtig, dass in den Gemeinden Hilfe angeboten werde. Dafür wolle man ein Bewusstsein schaffen: "Es geht darum, dass blinde und sehbehinderte Menschen in den Gemeinden sichtbar werden und dort eine Heimat finden."