Die Blätter fallen von den Bäumen. Die Tage sind wieder kürzer geworden. Nebel und Nieselregen bestimmen das Wetter. Oft ist es schon ungemütlich kühl draußen. Der Herbst mit seiner bunten Farbenpracht neigt sich dem Ende zu. Trist und grau sind die Tage geworden. Wir leben von solchem Wechsel. Der Winter mit seinem Schnee und der eisigen Kälte. Die Landschaft liegt versteckt unter einem weißen Kleid. Der Frühling mit seinem wunderbaren Neubeginn. Alles grünt und blüht. Der Sommer mit seinen warmen Nächten. Die Sonne lässt Korn und Früchte wachsen. Und dann der Herbst. Zuerst bunt und farbenfroh, dann schließlich eintönig grau in grau.

Buß- und Bettag: Wir leben von solchem Wechsel

Vom Wechsel der Jahreszeiten, aber auch vom Wechsel in unseren eigenen Leben. Da gibt es Zeiten des Festes und Zeiten der Trauer, Zeiten der unbeschwerten Jugend, der Einsatzbereitschaft des Erwachsenen und der abnehmenden Kräfte des Alters. Da gibt es Arbeit und Freizeit, Tag und Nacht, Freud und Leid.

Auch im Kirchenjahr leben wir diesen Wechsel. Die Erwartung im Advent, die Freude über die Weihnacht, die Trauer der Passion, die Hoffnung auf neues Leben sogar über den Tod hinaus an Ostern und schließlich die Zeit der Besinnung und des Nachdenkens am Ende des Kirchenjahres. Gut, dass es diesen Wechsel gibt. Das Leben ist eben nicht einfarbig. Es ist vielmehr bunt und vielfältig. Hochzeiten und dunkle Täler gehören genauso dazu wie Gesundheit und Krankheit, Freude und Trauer, Hoffnung und Enttäuschung, Erfolg und Versagen. Das Leben eben in seiner ganzen bunten Vielfalt mit seinen Höhen und Tiefen mit seinen Sonnen- und Schattenseiten.

Buß- und Bettag ist eine Chance über das Leben nachzudenken

Über das, was gelungen ist, und das, was fehlgeschlagen ist in meinem ganz persönlichen Leben. Aber auch über gelungenes Zusammenleben in unserem Dorf, in unserer Stadt, in unserem Land, in unserer Welt. Über Streit und Abgründe. Über die Herausforderungen unseres Zusammenlebens, denen wir begegnet sind und auf die wir reagiert haben, damit unser Zusammenleben vielleicht etwas gerechter, etwas besser oder etwas friedlicher wird. Und über die Abgründe und Dunkelheiten zu denen wir dann und wann selbst einen Beitrag geleistet haben.

Unser Leben ist bunt und vielfältig. Gelingen steht neben Versagen. Hoffnung neben Enttäuschung. Erfolg neben Schuld. Da ist es gut, einen Tag zu haben, der dem Nachdenken dient, der inneren Einkehr, der Frage nach Sinn und Wert unseres Lebens und Zusammenlebens.  Ein Wort des Paulus an die Gemeinde in Rom kann uns bei unserem Nachdenken über unser Leben und Zusammenleben vielleicht helfen. Er schreibt:

"Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich." (Römer 7,19)

Da steckt jede Menge Erfahrung drin - Lebenserfahrung, die auch wir auf unserem Weg durchs Leben dann und wann machen. Jede und jeder kann dazu seine eigenen Geschichten erzählen.

Der Buß- und Bettag ist eine Gelegenheit mitten in unserer schnelllebigen Zeit, unsere eigenen Geschichten zu erinnern.

Aber er ist auch eine Gelegenheit, nicht bei unseren Abgründen und Fehlern, bei unserer Schuld und unserem Versagen stehen zu bleiben.

Denn gerade dieser Tag, an dem wir einen realistischen Blick auf unseren Weg durchs Leben wagen dürfen, ist auch ein Tag der Hoffnung. Wir werden nämlich nicht auf unsere Fehler und unser Versagen festgelegt. Im Vertrauen auf den Gott, der uns an allen Tagen nahe ist, dürfen wir vielmehr immer wieder einen neuen Anfang wagen. Wir dürfen aufatmen und voller Zuversicht unseren Weg durchs Leben gehen. Durch ein buntes und vielfältiges Leben, bei dem Gott uns begleitet und immer wieder neuen Mut zum Leben gibt.

Oberkirchenrat Michael Martin