Am 1. Dezember trat Pfarrer Christoph Seyler sein Amt als neuer Leiter des Evangelischen Bildungszentrums (EBZ) Hesselberg an. Der 49 Jahre alte Theologe ist bereits mit seiner Frau auf den mittelfränkischen Berg gezogen. Zuvor war er Dekan im Ries-Dekanat Oettingen. Im Gespräch verrät der Vater zweier erwachsener Söhne, weshalb er sich als gebürtiger Großstädter so für den ländlichen Raum interessiere - und weshalb das Land für die Kirche so wichtig sei.

 

Herr Seyler, Sie sind im australischen Melbourne geboren und aufgewachsen. Als Pfarrer wollten Sie aber aufs Land. Wie kommt's?

Christoph Seyler: Meine Kindheit in Melbourne hatte trotz der Großstadt etwas sehr Familiäres und Vertrautes - man kann fast schon sagen, es war ländliches Ambiente. Das lag vor allem an unserem Umfeld, der deutschsprachigen Kirchengemeinde. Die hatte zwar eine Spannweite von mehr als 200 Kilometern, aber der Umgang war sehr persönlich. Diese ersten elf Jahre meines Lebens haben mich und mein Verständnis von Gemeinde sehr geprägt.

Sie haben mehrfach gesagt, man solle »die Kirche im Dorf« lassen. Wie wichtig ist die Präsenz in der Fläche?

Seyler: Sehr wichtig. Das ist eine grundlegende Entscheidung für die evangelische Kirche, ob sie nur noch in Zentren oder in der Fläche präsent sein will. Insofern freue ich mich, dass die bayerische Landeskirche den drei Evangelischen Bildungszentren am Hesselberg, in Pappenheim und in Bad Alexandersbad eine so große Bedeutung beimisst. Dass die Kirche im Dorf und somit in der Fläche bleiben soll, ist ein wichtiges Signal für die Menschen vor Ort - aus den vielen ländlichen Gemeinden kommt ja auch viel Kraft für die Kirche wieder zurück.

Was müssen Politik und Kirche tun, um den ländlichen Raum - vor allem für jüngere Menschen - wieder attraktiv zu machen?

Seyler: Da gibt es kein Patentrezept. Zuallererst muss man hinhören. Man muss wissen, was die Menschen auf dem Land brauchen. Denn der ländliche Raum ist beliebt - das beweist der Erfolg von Magazinen wie Landlust, aber auch die steigende Zahl an Urlauben dort. Das Problem ist, dass etliche junge Menschen im ländlichen Raum keine Perspektive für sich sehen. Oft geht es um ganz praktische Dinge, wie mangelnde Breitbandversorgung oder schlecht ausgebauten Nahverkehr.

Was können das EBZ und Sie da konkret anbieten?

Seyler: Da gibt es viele Möglichkeiten. Für den ländlichen Raum ist zum Beispiel ein funktionierendes Vereinswesen elementar. Momentan gibt es aber immer weniger Menschen, die dort Verantwortung übernehmen wollen. Nicht, weil sie kein Interesse daran hätten, sondern auch oft aus Sorge, weil die rechtliche Situation schwierig ist. Wofür hafte ich? Was muss ich wissen und können, um Jugendgruppen zu leiten? Da könnte das EBZ helfen und Schulungen für Ehrenamtliche anbieten.

Wie theologisch darf ein EBZ sein, wenn es sich vor allem dem ländlichen Raum widmet?

Seyler: Das ist eine Grundfrage, die ich nicht auf unsere Einrichtung und ihre thematischen Schwerpunkte beschränken würde. Der Rahmen des EBZ ist das christliche Menschenbild. Das heißt, dass bei uns jeder willkommen ist - mit Ausnahme von Vertretern jeder Form von Fundamentalismus oder Radikalität. Wir wollen unsere Türen weit öffnen, ein Ort sein, an dem man aus dem Alltag heraustreten kann und über die üblichen Begrenzungen hinaus nachdenken darf.

In der Region gibt es eine große Dichte an evangelischen Gäste- und Tagungshäusern. Wo wollen Sie sich abgrenzen, wo kooperieren?

Seyler: Das ist ein wichtiges Thema. Wir haben schon jetzt viele Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Unsere Chance ist, dass wir nicht auf eine Zielgruppe festgelegt sind wie andere Einrichtungen. Die Offenheit unseres Hauses macht unser Angebot niedrigschwelliger. Ich könnte mir vorstellen, dass wir Kooperationen mit kirchlichen Einrichtungen schließen, die keine eigenen Tagungshäuser haben.

Das klingt ein bisschen so, als wollten Sie das EBZ durchaus anders ausrichten als Ihr Vorgänger...

Seyler: Ich schätze die Arbeit meines Vorgängers Bernd Reuther sehr - er war meiner Meinung nach der richtige Mann zur richtigen Zeit. Aber es wäre auch schlecht, wenn die Leute in zehn Jahren sagen würden, dass sie gar nicht bemerkt hätten, dass ich da war. Wie das im Detail aussehen wird, weiß ich natürlich noch nicht. Ich habe jetzt mal meine Antennen ausgestreckt, es wird sicher den einen oder anderen neuen Schwerpunkt geben. Dazu gehört auch, dass ich in den ersten Monaten gerne landwirtschaftliche Betriebe besuchen möchte, um die aktuelle Situation zu erfahren. Ich würde mich über entsprechende Einladungen sehr freuen.