Bei dem Krisentreffen zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche im Vatikan hat der in der Glaubenskongregation zuständige Erzbischof Charles Scicluna eine stärkere Beteiligung von Opfern gefordert. Sie würden nicht über kirchliches Vorgehen bei der Aufarbeitung informiert, beklagte der maltesische Erzbischof am Samstag. Auch über den Ausgang von kirchenrechtlichen Prozessen würden sie nicht in Kenntnis gesetzt "Sie müssen eine Rolle spielen", mahnte Scicluna.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, beklagte, viele Opfer fühlten sich alleingelassen. Es sei wichtig, Verantwortlichkeiten zu klären. Im Hinblick auf kirchenrechtliche Fragen erwarte er sich Hilfe des Heiligen Stuhls. Marx wies auf die Erwartung hin, dass den Beratungen im Vatikan Beschlüsse folgten, die umgesetzt würden. Mit ihrer Frage, ob den Worten auch Taten folgten, hätten Opfervereinigungen recht.

Marx plädiert für größere Transparenz

Zur effektiven Bekämpfung von Missbrauch in der Kirche forderte Marx die Einführung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Einschränkung des Päpstlichen Geheimnisses. Transparente Verfahrensabläufe in der Verwaltung schützten besonders im Blick auf einen angemessenen Umgang mit Missbrauch vor Willkür, sagte der Kardinal. Eine funktionierende kirchliche Verwaltung sei ein "wichtiger Baustein" in der Bekämpfung und Aufarbeitung von Missbrauch.

Transparente Regeln für die Kirchenverwaltung seien unerlässlich, sagte Marx mit Blick auf Machtmissbrauch in der Verwaltung, der mitverantwortlich für sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der Kirche sei. "Akten, die die furchtbaren Taten dokumentieren und Verantwortliche hätten nennen können, wurden vernichtet oder gar nicht erst erstellt", sagte der Münchner Erzbischof vor den 190 Teilnehmern des Krisengipfels.

"Nicht die Täter, sondern die Opfer wurden reglementiert und ihnen wurde Schweigen auferlegt", betonte Marx. 

Festgelegte Verfahren und Prozesse zur Verfolgung von Vergehen seien bewusst nicht eingehalten, sondern abgebrochen oder außer Kraft gesetzt worden, kritisierte der Kardinal. Auf diese Weise seien die Rechte von Opfern "gleichsam mit Füßen getreten" worden.

Besonderes Augenmerk legte Marx, der auch dem päpstlichen K9-Rat für die Ausarbeitung einer Reform der vatikanischen Kurie angehört, auf die Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in der katholischen Kirche. Einwände richteten sich in diesem Zusammenhang vor allem gegen Verletzungen des Päpstlichen Geheimnisses. Ihm sei jedoch kein zwingender Grund bekannt, der belege, warum bei der Verfolgung von Straftaten hinsichtlich Missbrauch von Minderjährigen das Päpstliche Geheimnis Anwendung finden sollte.

Kritische Stimmen von außen

Der Sprecher des Opferverbandes "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, zeigte sich skeptisch mit Blick auf die vom Vatikan vorgelegten Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch. "Der große Plan - auf den warten wir noch", sagte er am Samstag im Bayerischen Rundfunk. Zugleich forderte er eine Verankerung von Maßnahmen im Kirchenrecht. "Null-Toleranz bedeutet: Priester, die Kinder und Jugendliche missbraucht haben, dürfen nicht mehr Priester sein. Und Bischöfe, die das vertuscht haben, sollten ebenfalls nicht mehr Bischöfe sein", sagte Katsch.

Am Nachmittag wollte Papst Franziskus mit den Teilnehmern des Bischofstreffens in Anwesenheit eines Missbrauchsopfers im Apostolischen Palast eine Bußliturgie feiern. Am Vormittag hatten Missbrauchsopfer bei einer Demonstration in Rom von der zentralen Piazza del Popolo zur Engelsburg ihre Forderungen nach neuen Machtstrukturen und mehr Transparenz im Umgang der Kirche mit sexuellen Übergriffen und ihrer Vertuschung bekräftigt.