Wenn eine Orgel aus dem letzten Loch pfeift, ist das irgendwo konsequent. Susanne Hartwich-Düfel, Kantorin in St. Matthäus in Erlangen, kann über diesen Witz aber kaum lachen. Schließlich spielt sie seit drei Jahren nun schon an einer Orgel, die schon 1961 nicht recht funktionierte, als die Kirche am Ohmplatz gebaut wurde. Seit Dienstbeginn kämpft die Dekanatskantorin für ein neues Instrument, das rund eine Million Euro kosten wird. Jüngste Aktion ist eine Benefiz-CD. Und dann ist da auch noch der Denkmalschutz.

Orgel in St. Matthäus von Gustav Gsaenger

Sie ist einfach wuchtig, die Orgel von St. Matthäus: Auf rund 10 Metern Länge sind die Pfeifen angeordnet, die Konstruktion bildet ein großes »M«, ein durchgängiges Muster durchzieht in goldener Schrift das blasse Blau – keine Frage, die »Königin der Instrumente« in St. Matthäus ist ein Hingucker. Das sieht man auch beim Landesamt für Denkmalpflege so, das der Orgel ebenso wie dem Gotteshaus einen besonderen Schutzstatus zuweist. Genau da liegt das Problem: Rein baulich darf an dem äußeren Erscheinungsbild der Orgel nichts verändert werden. Auch nicht das viel zu kleine Schwellwerk. Die Folge ist, dass die renommierte Orgelbaufirma Klais, die beispielsweise auch die Orgel der Hamburger Elbphilharmonie gebaut hat, die gesamte Technik in und hinter dem Korpus so verbauen muss, wie es dieser baulich vorgibt.
Architekt war auch Orgelbauer

Das Problem ist hausgemacht: Zwar hatte Architekt Gustav Gsaenger, der die Orgel ebenso wie die Kirche selbst entworfen hat, ein hervorragendes Händchen für Baukunst. Aber als Orgelbauer hat sich Gsaenger verschätzt. Susanne Hartwich-Düfel zählt einige Beispiele auf: »Die mechanischen Verbindungen zwischen Tasten und Pfeifen sind aufgrund der Bauweise viele Meter lang und müssen mehrfach um gelenkt werden. Dadurch kommt es immer wieder zu Ausfällen und Störungen. Aufgrund der Aufstellung aller Werke in einer Reihe nebeneinander, nicht wie sonst üblich in ›Stockwerken‹ übereinander, können die einzelnen Pfeifen klanglich nicht miteinander verschmelzen«.

Orgel wurde in den 80er Jahren repariert

Zudem wurden sehr schlechte Materialien wie Pressspan anstelle von Massivholz für die Windladen verwendet, wodurch der Winddruck nicht stabil ist. Das hat zur Folge, dass bei vollgriffigem Spiel der Winddruck abfällt. Weil zu weiche Materialien verwendet wurden, sind einige Pfeifen durch ihr Eigengewicht in sich zusammengesunken. Mit bastlerischem Geschick und Geschenkband wurden einige vor dem Abknicken bewahrt.

Auch eine größere Reparatur in den 1980er-Jahren hat am Grundzustand nichts geändert – die Orgel gilt als irreparabel kaputt, schon 2012 wurde der »Förderverein Orgelbau St. Matthäus Erlangen« gegründet. Über 550 000 Euro hat man seither gesammelt. »Wir haben also noch einiges vor uns. Zuschüsse gibt es von der Landeskirche keine für das Projekt«, sagt die Kantorin und berichtet von den vielen Ideen, die seit Jahren für die neue Orgel ersponnen und umgesetzt werden, darunter natürlich zahlreiche Konzerte, aber auch ein Jodelseminar.

Bamberger Symphoniker und Hochschule für Musik

Zusammen mit den befreundeten Musikern Marcos Fregnani-Martins, der bei den Bamberger Symphonikern spielt und eine Professur für Flöte an der Nürnberger Hochschule für Musik innehat, und der Flötistin Maria Carmen Fuentes Gimeno, Dozentin an der Universität Valencia, entstand im Oktober die Benefiz-CD »Himmlische Musik für zwei Flöten und Cembalo«. Aufgenommen wurden Stücke von Bach oder Vivaldi. Weil die Musiker komplett auf ein Honorar verzichtet haben und für die Tonmeister- und Produktionskosten ein Sponsor gefunden werden konnte, kommt nun der komplette Erlös der CDs dem Orgelprojekt zugute. »Alle Beteiligten sind von der Idee überzeugt, dass sich für die Musik und die Musikliebhaber die Mühe lohnt«, sagt Fregnani-Martins.

Und seine Kollegin an der Flöte pflichtet bei, dass eine derartige Konzertlandschaft und eine Hörer-Rezeption, wie sie die beiden international tätigen Musiker in Deutschland erfahren haben, kaum anderswo auf der Welt zu finden ist.Auch wenn bis zum Neubau der Orgel nach den Vorgaben des Denkmalschutzes noch einige Hürden überwunden werden müssen, sind die Musiker überzeugt, dass sich die Aktion für die Oratorien-Kirche und deren große kirchenmusikalische Projekte auch lohnt. Denn die besondere Bauform als Oratorien- und Musikkirche ist die einzige ihrer Art in ganz Bayern und strahlt mit ihren kirchenmusikalischen Veranstaltungen aus in die ganze Metropolregion.

Frischer Wind

Mehr zum Förderverein Orgelbau St. Matthäus Erlangen und Aktionen rund um das Instrument gibt es unter www.frischer-wind.de