Pfarrer Thomas Zeilinger, Beauftragter für Ethik und Technologie in der bayerischen evangelischen Kirche, prüft die Chancen der evangelischen Digitalisierung im Freistaat: Entdeckt er etwa in einer anderen Landeskirche wie digitale Technik sinnvoll eingesetzt wird, überlegt er, ob diese Neuheit auch etwas für die bayerischen Gemeinden sein könnte.

"Wir hatten in Berlin in zwei Kirchen eine Multimediawand und ein iPad-Gesangbuch als multimediale Kirchenbank, um zu hören, wie für die Leute Technik und Kirchenraum zusammenpassen."

In der multimedialen Kirche kann man zum Beispiel auf einem großen Bildschirm virtuelle Kerzen anzünden. Das ist nicht nur für den Feuerschutz günstiger. Bessere Technik in der Kirche befürwortet auch die Fürther Pfarrerin Christiane Lehner. In der Hauptkirche St. Michael gab es schon aufwendige Lichtinstallationen.

Kunstinstallation von Sandra Banks

Jeder Gottesdienst könnte technisch unterstützt werden, indem Lieder und Informationen auf der Multimediawand erscheinen:

"Neue Lieder müsste man nicht mehr kopieren. Und alle gucken nicht ins Gesangbuch oder Smartphone, sondern miteinander nach vorne."

Dieser Technikfreude will Pfarrerin Andrea Felsenstein-Roßberg vom Nürnberger Gottesdienstinstitut nicht folgen. Sie sieht die Chancen gerade in der Technikfreiheit: Offline-Räume, WLAN-frei.

"Wo man anbietet: Hier gibt es das alles nicht, damit wir besser zu uns selbst kommen können."

Kirche und Digitalisierung? Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Manches würde einfacher und bunter durch moderne Technik. Pfarrerin Felsenstein-Roßberg will erst einmal die moderne Lichttechnik ausreizen. Sie arbeitet in der Nürnberger Lorenzkirche im Kirchenvorstand mit.

"Letztes Jahr zur Reformation haben wir alle Bänke hinausgeräumt und den ganzen Raum in wunderbar grünrotblaue Lichtschwaden getaucht."

St. Lorenz in rot
Die Nürnberger Lorenzkirche illuminiert für den Jahresempfang der Regionalbischöfe 2018

Jetzt planen sie die Pfingstnacht. Nicht wie üblich mit ein paar bunten Tüchern, sondern mit orangeroten Scheinwerfern, damit alles brennt wie im Pfingstfeuer. Die bisherigen Experimente sind gut angekommen bei den Nürnbergern. Der Kirchenvorstand will weiter ausprobieren. Die Pfarrerin würde gerne je nach Kirchenjahreszeit durch Illuminationen bestimmte Kunstwerke in den Vordergrund rücken:

"Eine Pietà, Jesus mit Maria, in der Fastenzeit oder eine Verkündigungsszene in der Adventszeit."

In der Fürther Paulskirche haben sie neulich eine Klanginstallation zum 1. Weltkrieg gemacht. Die Stimmen von Konfirmanden hallen durch den Raum und verlesen in Dauerschleife Hunderte Namen ihrer gefallenen Vorfahren. Dekanatsreferentin Christiane Lehner weiß noch mehr Beispiele: "In Fürth konnte man durch die Kunstinstallation den Kirchenraum ganz anders wahrnehmen. Da waren als Projektionsfläche hauchdünne Schleierstoffe hintereinander aufgehängt und darauf wurden Farben und Formen projiziert im Rhythmus der Musik."

360°-Führung Fürth St. Michael

St. Michael hat jetzt auch eine 360°-Kirchenführung auf seiner Webseite. Da entdeckt man hinter Altar, Kanzel und anderem Kircheninventar Informationen beispielsweise zum Kirchenasyl der Gemeinde. Einen Schritt weiter würde Pfarrer Thomas Zeilinger von der Uni Erlangen gehen – mit einer Virtual-Reality-Brille, die ihm wie auf einem Bildschirm Hinweise einblendet. Er stellt sich vor, er wird in der Kirche über die Brille zu Glaubensthemen informiert, kann sich den Orgelton zuschalten und über die Brille mit den Figuren im Kirchenraum ins Gespräch kommen.

"Eine zeitgemäße Kirche muss die Kommunikation für das Evangelium nutzen."

 

Tablet in Kirchenbank

VR-Brillen sind Zukunftsmusik für Felsenstein-Roßberg. Aber mindestens ein paar Tablets sollte jede Citykirche haben für eine selbstbestimmte Kirchenführung, in denen man auf dem Grundriss der Kirche Stationen anklicken kann für Hintergrundinformationen, dass man verlockt wird, sie auch anzuschauen. Die Kirche als modernes Museum. Einen Effekt sollen die Tablets allerdings nicht haben:

"Für mich ist das negativ, wenn alle nur auf ihr Tablet schauen neben dem Kunstwerk, und nicht in die Wirklichkeit nach oben."

Die Wirklichkeit ist viel mehr als das, was wir wahrnehmen. Schon immer feiert die christliche Kirche im Geiste mit allen, die dazu gehören. Mit der Digitalisierung könnte man sie virtuell dazu schalten. Das ist mehr als ein Fernsehgottesdienst: Bettlägerige, Menschen im Ausland könnten den Gottesdienst aktiv mitgestalten. Menschen, die nicht vor Ort sind, einzubeziehen in ein Geschehen, das ist für Pfarrerin Lehner der Charme der Digitalisierung:

"Menschen werden nicht berieselt, sondern tauschen sich aus. Verkündigung wird ganz anders interpretiert als bisher."

 

Megaphon auf der Kirchenbank

Ob die evangelischen Bayern diese Chancen umsetzen können, hängt am Mut vor Ort, und nicht zuletzt auch am Geld.