Nur wenige Schritte vom Trubel der Fußgängerzone entfernt gibt es in München eine Glastür, die immer offen steht, wenn Pfarrerin Sabine Bleise-Donderer oder Pfarrer Sebastian Kühnen vor Ort sind. Durch diese Tür kommen Menschen, denen etwas fehlt im Leben. Alle bringen ihre eigene Geschichte mit: Einige sind gerade Eltern geworden und wollen ihre Kinder nach christlichen Werten erziehen, andere sind Taufpaten oder Trauzeugen, wieder andere stecken mitten in einer Lebenskrise. Was sie jedoch alle eint ist, ist die Suche nach Orientierung. "Sie merken, dass sich in ihrem Leben etwas Grundlegendes verändert hat und sie auf der Suche sind, wie sie mit dieser Veränderung umgehen können", erklärt Bleise-Donderer.

Was sind Kircheneintrittsstellen?

Die Kircheneintrittsstelle in der Innenstadt bietet diese Orientierung. Sie wurde 2008 als Reaktion auf die rückläufige Mitgliederentwicklung ins Leben gerufen. Neben der Münchner Zweigstelle gibt es in Bayern noch vier weitere Eintrittsstellen: in Nürnberg, Regensburg, Augsburg und Aschaffenburg. Ziel dieser Einrichtungen ist es, den Prozess des Eintritts so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten. In der Praxis bedeutet das: Wer Personalausweis, Taufbescheinigung und Austrittsbescheinigung mitbringt, kann innerhalb einer Stunde Mitglied der Evangelischen Kirche werden. 1.800 Menschen haben diese Möglichkeit in den letzten 10 Jahren in München genutzt, landesweit waren es sogar 36.032 – der Trend ist stabil.

Wer tritt wieder ein?

Die meisten, die den Weg zurück in die Kirche suchen, sind Anfang 30. "Das ist ein Alter, in dem viel im Umbruch ist", sagt die Pfarrerin. Rund 70 Prozent der Besucher sind Protestanten, die an irgendeinem Punkt ihres Lebens aus der Kirche ausgetreten sind. Die restlichen 30 Prozent konvertieren von der katholischen zur evangelischen Kirche oder wechseln aus einer anderen Glaubensgemeinschaft.

Was sind die Aufgaben der Einrichtung?

Obwohl der Gründungsgedanke der Einrichtung ein unkompliziertes Eintrittsverfahren war, geht es laut Pfarrer Sebastian Kühnen "nicht um das Erfüllen einer Quote oder darum, um jeden Preis Leute reinzuholen". Es komme durchaus vor, dass sich am Ende eines Gesprächs herausstellt, dass der Betroffene eher in eine Freie Evangelische Kirche oder (wieder) in die katholische Kirche eintreten möchte. Kühnen betrachtet das nicht als Misserfolg: "In erster Linie geht es darum, dass die Leute ihren eigenen Weg finden und wir ihnen dabei behilflich sind."

Was hat sich in den letzten 10 Jahren getan?

Hauptaufgabe der Eintrittsstelle sind die Beratungsgespräche rund um den Wiedereintritt. Darüber hinaus haben sich in den letzten zehn Jahren aber kontinuierlich weitere Aufgaben entwickelt. "Wir bieten Bildungsveranstaltungen sowie Tauf- und Glaubenskurse für Einheimische und Geflüchtete an", zählt Sabine Bleise-Donderer auf. Auch bei Veranstaltungen wie dem Corso Leopoldo und Hochzeitsmessen informiert sie mit ihrem Kollegen Kühnen an einem Stand über die Arbeit der Kircheneintrittsstelle.

Für die Pfarrerin ist die Eintrittsstelle auch eine Art "Seismograph" für das, was Menschen mit Blick auf Kirche bewegt. Diese Eindrücke aus dem direkten Kontakt mit den Menschen wolle die Stelle bündeln und an die Kirchengemeinden weiterleiten. Eine stärkere Vernetzung der evangelischen Dienste und der Kirchengemeinden wäre ihr Wunsch zum 10. Geburtstag der Eintrittsstelle.

Eines bleibt in jedem Fall: Die Glastür in der Herzog-Wilhelm-Straße steht auch weiterhin all jenen offen, die nach Orientierung suchen und sich – wieder - mit Kirche befassen möchten.

 

Wie feiert die Kircheneintrittsstelle München ihr Jubiläum?

  • Das 10-Jährige feiert die Kircheintrittsstelle (Herzog-Wilhelm-Str. 24, www.zurueckzurkirche.de) am Sonntag, 10. Juni.
  • Die Stadtführung startet um 15 Uhr an der Matthäuskirche (Nußbaumstr. 1) unter dem Motto "München mit anderen Augen sehen" mit einem Blick für die protestantischen Orte der Stadt. Anmeldung per E-Mail: kircheneintritt.muenchen@elkb.de
  • Der Festgottesdienst mit Stadtdekanin Barbara Kittelberger in St. Markus beginnt um 18 Uhr. Zum Motto "... dass mein Haus voll werde" hält Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler die Predigt.