"Hört die Schreie der Mitmenschen und des Planeten", mahnte Bischof Makgoba von der Anglikanischen Kirche in Südafrika vor mehr als 100.000 Gottesdienstbesuchern auf den Elbwiesen der Lutherstadt. "Seid radikal" rief der 56-Jährige den Jugendlichen zu: "Lasst Euch nicht entmutigen."

Südafrikanischer Bischof appelliert an Jugend

"Bitte tut etwas, wenigstens nur eine Sache, um der Liebe, Menschenwürde, Freiheit und um Christi willen", mahnte Erzbischof Makgoba, ein Nachfolger von Erzbischof Desmond Tutu. Makgoba erinnerte an die berühmte Rede von Martin Luther King in den 1960er Jahren: "Wie King, habe auch ich einen Traum für die Welt. Dass eines baldigen Tages all die narzisstischen, nationalistischen und isolationistischen Parolen unserer Zeit verschwindet."

"Ich habe einen Traum, dass stattdessen ein globales Bewusstsein von einer verbundenen Menschheit entsteht", sagte Makgoba in seiner in Englisch gehaltenen Predigt in dem Gottesdienst, zu der nach Angaben der Veranstalter 120.000 Menschen auf die Festwiese gekommen waren. Er träume zudem von einer Welt mit unbegrenztem Zugang für alle zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Wasser, einem hygienischen Umfeld und wirtschaftlichen Möglichkeiten, so der in armen Verhältnissen in der südafrikanischen Metropole Johannesburg aufgewachsene Erzbischof.

Reformation hat Europa aus dem Mittelalter herausgeführt

Zum 500. Reformationsjubiläum sagte Makgoba, man könne den positiven Beitrag Martin Luthers (1483-1546) zur Entwicklung der heutigen Welt gar nicht überschätzen. Er habe Europa aus dem Mittelalter herausgeführt. Makgoba: "Er ist einer der wahren Väter der demokratischen Freiheit." Die Reformation sei mehr als ein "theologischer Wendepunkt" gewesen. Es sei ein entscheidender Moment der "sozialen und politischen Entwicklung" der Menschheit und bis heute Richtlinie und ein "GPS-System" für die nächsten 500 Jahre.

Bilanz zum Kirchentag: 106.000 Dauerteilnehmer

Auf den Elbwiesen in Wittenberg kamen zehntausende Menschen zum Abschlussgottesdienst des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentags. Seit Mittwoch hatten 106.000 Dauerteilnehmer und 30.000 Tagesgäste auf dem Protestantentreffen in Berlin und Wittenberg über aktuelle politische Themen debattiert, Bibelarbeiten besucht, gesungen und gefeiert.

Merkel und Obama über Terrorismus und Flüchtlinge

Zu den Höhepunkten gehörte eine Diskussion zwischen dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über Flüchtlinge, Terrorismus und realpolitische Zwänge.

Abschlussgottesdienst in Wittenberg

Für den Abschlussgottesdienst im 100 Kilometer entfernten Wittenberg fuhren seit dem frühen Morgen Sonderzüge. Eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes hatten sich nach Veranstalterangaben 50.000 Gläubige auf der Wiese versammelt. Rund 1.000 Menschen hatten dort die Nacht in Schlafsäcken unter freiem Himmel verbracht.

Das alle zwei Jahre veranstaltete Protestantentreffen stand im Zeichen des 500. Reformationsjubiläums. Parallel zu den zentralen Veranstaltungen in Berlin wurden aus diesen Anlass in Mitteldeutschland sechs regionale Kirchentage auf dem Weg gefeiert.